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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen
Autoren: Michael Kubiak
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Gestalt trug einen weiten Mantel. Dem Aussehen nach musste das Kleidungsstück aus dem Mittelalter stammen. Der Mantel war aus Samt und blutrot. Das Gesicht des Mannes leuchtete in einem fahlen Licht und gab ihm ein gespenstisches Aussehen. Zamorra konnte nicht anders – die Ebenmäßigkeit dieses Gesichtes teilte sich auch ihm mit und hatte eine ganz erstaunliche Wirkung auf ihn. Zamorra erkannte den Fremden nicht unbedingt als einen Feind an.
    Die tief in ihren Höhlen liegenden nachtschwarzen Augen starrten ihn unverwandt und anscheinend teilnahmslos an. Und doch lag in ihnen ein stummer Befehl, der alles in die Knie zwang, was sie erblickten.
    Auch der Professor konnte sich diesem Befehl nicht widersetzen.
    Unwillkürlich sank er in die Knie, dabei weiterhin das Gesicht ansehend, das sich nun zu einem spöttischen Grinsen verzog. Mit einer eleganten Handbewegung fuhr sich der Mann mit gespreizten Fingern durch das volle, silberweiße Haar. Es wirkte wie die Geste eines Mannequins vor der Kamera.
    Unter anderen Umständen hätte Zamorra das vielleicht als lächerlich empfunden, doch diese Geste und sein Wissen um die Geschichte des Landstriches hier verrieten ihm die schreckliche Wahrheit.
    Das musste Radu sein, der hübsche Radu, ein Bruder des berüchtigten Vlad Dracula, des Urvaters der schrecklichsten Ungeheuer, von denen auf der ganzen Welt unzählige Legenden und Märchen berichteten. Also hatte es ihn wirklich gegeben. Und die Tatsache, dass er hier in Lebensgröße vor ihm stand, bewies ihm, dass auch die Legenden Wahrheit waren. Er musste ein ähnliches Ungeheuer gewesen sein wie sein Bruder, sonst würde er nicht noch in dieser Zeit, im zwanzigsten Jahrhundert durch die alten Gemäuer seines Schlosses geistern.
    Zamorras Gedanken jagten sich wie eine wilde Meute Hunde. Er suchte nach einem Ausweg, wusste aber gleichzeitig, dass es keine Rettung mehr für ihn gab. Er war dem Ruf seines mächtigen Widersachers gefolgt und musste nun auf den Todesstoß warten. Vielleicht gab man ihm noch eine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Doch was waren seine schwachen Kräfte gegen das hier?
    Sein Hals war trocken, und seine Stimme war ein unverständliches Krächzen. Zamorra räusperte sich, doch es hatte nicht viel Zweck.
    »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?«
    Seine Frage war mehr aus Verlegenheit und Ratlosigkeit gestellt.
    Genauso wurde sie auch aufgefasst.
    Der Gefragte lachte belustigt auf. »Du weißt doch längst, wer vor dir steht. Glaube nicht, dass mir deine Gedanken verschlossen sind. Ich habe lange genug Zeit gehabt, meine Sinne in diese Richtung zu trainieren. Dir ist genau bekannt, wo du dich aufhältst, und du weißt auch, warum du hier bist. Mordius, dein Gegner, untersteht unserem Schutz. Er ist ein Gefolgsmann des Satans geworden. Durch seine Forschungen hat er seine Seele dem Satan verschrieben. Wir, die Heerscharen der Finsternis, werden ihm helfen, auch dich zu einem von uns zu machen.«
    Die Worte hallten in Zamorras Schädel nach. Vorn übergebeugt stand er da und lauschte ihnen nach. Er konnte und wollte es nicht fassen. Er, der sein Leben dem Kampf gegen Geister und Dämonen gewidmet hatte, und es immer noch tat, sollte ein Untoter werden, ein unseliger Geist, der keine Ruhe mehr finden sollte und ziellos über die Erde irrte, rastlos getrieben von dem Zwang, zu töten und Böses zu tun.
    Doch noch hatte er seinen Willen, den er einsetzen konnte, gegen den Einfluss, der Eingang fand in seine Gedanken und ihn zu lähmen und zu steuern drohte.
    Suchend irrte sein Blick über die Wände mit den Portraits der alten Menschen. Eines der Bilder erregte seine Aufmerksamkeit besonders. Es zeigte im Gegensatz zu den übrigen ein junges Mädchen in der Blüte ihrer Jugend und ihrer unirdischen Schönheit. Fasziniert schaute er in die Augen, deren Ausdruck ihm Ruhe und Kraft zu geben schienen. Ja, ihr Gesicht verzog sich sogar zu einem aufmunternden Lächeln. Zamorra wollte hingehen, wollte das Bild berühren, streicheln, umarmen, doch die Stimme des Unheimlichen hielt ihn zurück und bannte ihn auf den Fleck.
    »Bleib! Auch sie wird dir nicht helfen können. Es ist Zora, wie du schon richtig erkannt hast. Sie hat dir im Dorf dein Zimmer gezeigt, das du besser nie verlassen hättest. Doch du hast es getan, die Folgen musst du dir nun selbst zuschreiben. Ja, schau dir nur die Bilder an. Sie zeigen all jene, die im Verlauf der Jahrhunderte den Kampf aufgenommen haben, um das Böse zu besiegen oder in
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