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0034 - Das Teufelsauge

0034 - Das Teufelsauge

Titel: 0034 - Das Teufelsauge
Autoren: Dieter Saupe
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aussehende Zigeunerin vor sich sah, glaubte er, dem Vampir selbst gegenüberzustehen.
    »Ich bin La Zanuga«, sagte die Zigeunerin zu ihm. »Ich bin gekommen weither, von Ibiza. Ich habe gehört von dem Vampir. Und ich werde ihn austreiben.«
    »Und wie?« hatte Idor Capoa gefragt.
    Da hatte die Alte unter ihren langen Rock gegriffen und eine Zigeunerfidel hervorgeholt.
    »Damit«, sagte sie. »Mit Geige. Und dem Lied, was dem Vampir Angst macht. Du kannst fragen alle Zigeuner aus jedem Land. La Zanuga hat die Kraft, den Vampir zu besiegen. Mit dem Lied vom Teufelsauge, dem schrecklichen Gesang vom Occhiu Draculi.«
    »Occhiu Draculi?« fragte der Kapitän ungläubig.
    Und die Zigeunerin nickte.
    »Teufelsauge. Viele nennen mich selber so. Weil ich nur dies eine große Auge habe, vor dem sie sich fürchten. Aber der Vampir fürchtet nicht das Auge von La Zanuga. Er fürchtet das Lied ihrer Geige, den Tanz ihrer Füße, das schreckliche Lied. Sag mir, wo der junge Tote lag aus deinem Land, Kapitän. Führe mich hin. Ich werde die Spur des Vampirs finden und ihn für dich erledigen.«
    Zwei Tage war La Zanuga auf der Spur des Vampirs gewesen.
    Dann, eines Nachts, erwachten die Weinbauern am Flusse Douro durch einen schauerlichen Gesang.
    Das Lied vom Teufelsauge klang durch die Nacht. Es war über viele Meilen zu hören. Die Nacht war mondhell, und das kalte, fahle Licht verstärkte noch den Schrecken, den die eintönige Melodie in den Menschen verursachte.
    Am nächsten Morgen meldete sich La Zanuga bei Kapitän Capoa und führte ihn auf einem verschlungenen Pfad hinaus in den Wald mit den Korkeichen. Nur wenige Kilometer von der Stadt Porto entfernt.
    »Da, Kapitän«, sagte sie. »Da hast du deinen Vampir.«
    Dabei zeigte sie auf einen alten Mann, der am Boden lag. In seinen Mundwinkeln stand noch das verkrustete Blut seines jungen Opfers.
    La Zanuga aber war in der Nähe der Stadt geblieben. Die Leute fürchteten sich sehr vor neuen Vampiren.
    Und als der Kapitän der alten Zigeunerin eine tägliche Ration von einer Flasche schärfsten Branntweins zugesagt hatte, war sie einverstanden, vorläufig nicht in die Heimat zurückzukehren.
    So blieb sie, trank ihren Branntwein und sang in den Wäldern die wilden, feurigen Lieder der Zigeuner, tanzte und grölte, daß die Hänge mit dem reifenden Wein widerhallten.
    Niemand hatte etwas gegen die Alte, obwohl sie ein wenig furchterregend aussah. Aber die Menschen sahen einen Schutz in ihr. Sie duldeten sie. Und das umsomehr, als die Alte ihnen niemals zur Last fiel.
    Einmal in der Woche sah man sie in der Stadt Porto. Sie kam mit einem selbstgeflochtenen Korb, betrat das Gebäude der Polizeipräfektur und kam bald wieder heraus. Pünktlich jeden Montag. Und jedesmal mit sieben Flaschen Branntwein, eine für jeden Tag.
    Die Stadtväter waren schnell überein gekommen, daß dieses Opfer das geringste Übel für sie war. Sieben Flaschen Branntwein pro Woche – das war eine Kleinigkeit gegen den Ärger, den neue Opfer eines Vampirs für sie und die Polizei mit sich bringen würden.
    Über zwei Jahre lang hatte La Zanuga ihren Branntwein getrunken, ihre Lieder gesungen, ihre Geige in den Wäldern gespielt. Wovon sie sonst lebte, wußte niemand.
    Manche Leute meinten, daß sie heimlich auf Jagd gehe. Andere wußten zu sagen, daß ihre Stammesbrüder, die durchziehenden Zigeuner, sie mit Nahrungsmitteln versorgten.
    Am hartnäckigsten aber hielten sich die Behauptungen der abergläubischen Leute. Sie erfanden die tollsten Geschichten, was die Nahrung der Zanuga betraf.
    »Sie ißt Kröten und Schlangen«, sagten die Leute.
    »Sie lebt von Eidechsen und Würmern«, wollten andere mit Sicherheit wissen.
    Und bald sangen die Kinder auf der Straße das Lied von La Zanuga, die alles frißt, was ihr über den Weg lief. Frösche und Hamster, Spatzen und Schwalben, Fische und Ameisen, Wurzeln und Baumrinde.
    Im Grunde war es ihnen gleichgültig. Hauptsache war, daß die Alte ihnen keine Scherereien machte und die Dämonen fernhielt.
    Und La Zanuga hielt Dämonen und Vampire fern. Allein durch ihre Anwesenheit, die wie eine Drohung für alle blutdürstigen Vampire war.
    Ihre Geige, ihr Lied vom Teufelsauge hatten Macht über die Geister.
    Das ging gut, bis vor etwa drei Wochen ein junges Mädchen am Stadtrand von Porto aufgefunden wurde.
    Mit durchbissener Kehle.
    Ein Vampir war am Werk gewesen!
    Kapitän Idor Capoa bekam wieder Arbeit. Eine Arbeit, die er gar nicht mochte.
    Und die
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