Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
Vom Netzwerk:
mit der Todeszelle herzustellen und den Gang an einigen Stellen etwas zu erweitern brauchen.
    Wir kletterten die Klippen hinan und gelangten auf die gleiche Straße, auf der Phil und ich nach dem Überfall getürmt waren.
    Na, das war ein Spaß!
    Ich in der Gefängniskluft pirschte mit meinem Gefangenen an das Hauptportal des Zuchthauses heran und klingelte. Zum Glück war uns unterwegs kein Streifenpolizist begegnet. Als ich am Portal läutete, sah ich an der nächsten Kirchturmuhr, daß es zehn Minuten vor sechs war. Ich kam also zu meiner Hinrichtung noch zurecht.
    ***
    Ein uniformierter Wärter öffnete. Er sah meine Kluft, riß den Mund auf und war offensichtlich nahe daran, in Ohnmacht zu fallen. Ich klopfte ihm mit der freien Hand gönnerisch auf die Schulter.
    »Morgen, Kollege«, sagte ich. »Führen Sie uns mal zum Chef dieses gastlichen Hauses. Ich möchte ihm die Überraschung seines Lebens servieren.«
    Er schnappte ein paarmal nach Luft, dann hatte er die Sprache wiedergefunden. Er schrie etwas, und plötzlich sah ich mich von vier Wärtern umringt, die allesamt Pistolen in den Händen hielten. Um so besser, dann konnte mir der Bursche wenigstens nicht mehr fortlaufen.
    Sie schrien auf mich ein — in Spanisch.
    Ich redete geduldig auf sie ein — in Englisch.
    Wir verstanden uns absolut nicht. So ging es eine Weile hin und her. Einer wollte meinen Gefangenen, der unaufhörlich redete, aus meinem sicheren Griff befreien. Ich wurde übermütig und gab dem Wärter einen Stoß vor die Brust, daß er weiß wurde und zurückging.
    Ich fühlte mich ziemlich sicher, trotz ihrer Pistolen. Sie würden nicht wagen, mich zu erschießen. Das ist der Vorteil der Bürokratie: Einer, der auf gehängt werden soll, darf nicht erschossen werden. Die Justiz nimmt es da sehr genau.
    Mitten in unser Palaver hinein tönte plötzlich wieder das Klingeln vom Portal. Jemand ging Öffnen. Und was glauben Sie, wer plötzlich in der Tür stand?
    Phil.
    Er hatte sich den Bart abgerissen, mit dem er während der Gerichtsverhandlung Reporter gespielt hatte. Er grinste über sein ganzes prächtiges Gesicht.
    Und hinter ihm kreuzte der Innenminister auf. Er sagte etwas. Die Wärter starrten ihn an, als wäre er wahnsinnig geworden. Er sagte es noch einmal.
    Da brachten sie plötzlich von irgendwoher Handschellen zum Vorschein. Bevor ich bis drei zählen konnte, war mein Gefangener mit soliden Stahlfesseln versehen.
    Der Innenminister schüttelte mir und dann Phil und dann wieder mir die Hand. Er redete wie ein Wasserfall. Da ich befürchten mußte, daß es so etwas wie eine Lob- und Dankeshymne war, was er da herunterbetete, war ich glücklich darüber, daß er es in der Aufregung in Spanisch sagte. Dadurch verstand ich höchstens jedes fünfte Wort.
    Na, ich will Sie nicht mehr damit langweilen, wie wir unseren Triumph auskosten mußten. Die Zeitungen wurden anläßlich einer Pressekonferenz von dem wahren Sachverhalt durch den Innenminister persönlich unterrichtet. Sie brachten die Story und leider auch unsere Bilder in riesiger Aufmachung.
    Der Innenminister heftete uns einen schönen, glänzenden Orden an die Brust. Aus Washington hielten wir plötzlich ein Telegramm in unseren Händen. Es bestand aus ganzen zwei Worten:
    Gratuliere. Hoover!
    Und als wir die Pressekonferenz verließen, hatten sich vor dem Rathaus, wo sie abgehalten worden war, eine riesige Menschenmenge eingefunden. Der Rundfunk hatte die Pressekonferenz nämlich leider Gottes direkt übertragen.
    Wir mußten Hände schütteln, Hände schütteln, Hände schütteln. Aber plötzlich tauchte in der Menschenmenge vor mir ein liebes, bildschönes Gesicht auf: das Mädchen aus der Bank.
    Miß Elangez lachte und weinte gleichzeitig. Ich konnte nichts anderes machen, sie hing mir plötzlich am Hals.
    Na, wir mußten mit ihr ausgehen, ob wir wollten oder nicht. Aber nach der Enttäuschung, die sie zuerst mit uns erlebt hatte, waren wir ihr das wohl schuldig.
    Aber es war ein Leiden, dieses Ausgehen.
    Wohin wir kamen, wurden wir bestaunt wie das achte Weltwunder. Als ich in einem teuren Nachtlokal mit banger Sorge um mein kleines Polizeigehalt bezahlen wollte, erschien der Besitzer und versicherte uns unter dem Beifall sämtlicher Gäste, daß er untröstlich sei, wenn wir ihm Geld anbieten wollten. Es sei ihm eine Ehre, daß wir überhaupt zu ihm gekommen seien. Ich verstand das nicht ganz.
    Wir hatten doch nur unsere Pflicht getan.
    ENDE
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher