Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
Vom Netzwerk:
Gebirge.«
    Seine Stimme war heiser vor Gier. Ich stemmte meine Füße fest auf den Boden. Zum Glück war er uneben, und man fand an den Zacken und Kanten des nackten Gesteins genügend Halt.
    »Wenn du die Straße ins Gebirge hinauffährst…«, sagte ich langsam, als müßte ich mich erst genau an die Dinge erinnern.
    »Was dann?«
    »Dann kommst du erst an den Felsen vorbei, die wie drei nebeneinanderstehende Bleistifte aussehen, kennst du diese Gegend?«
    Er schnaubte verächtlich: »Mann, ich lebe seit vierzehn Jahren hier!«
    »Okay. Also du fährst an diesen drei Felsen vorbei bis zur nächsten Kurve. Da steigt links die Felswand kerzengerade hoch, während auf der rechten Seite die Straße schroff nach unten in eine Schlucht abfällt.«
    »Gibt es dort etwa einen Abstieg?« wollte er wissen. »Ist dort das Geld?«
    Ich holte tief Luft, spannte alle meine Muskeln an und schnellte vor.
    »Das Geld liegt im Safe des Innenministeriums!« rief ich. »Und dort bleibt es liegen, bis die Bank es zurückbekommt!«
    Mein Kopf traf ihn in den Leib. Meine Hände rissen seine Knie nach vorn. Er stürzte nach hinten.
    Aber er fiel unglücklicherweise mit seinem ganzen Körpergewicht auf meine Beine. Ich versuchte, mich unter seinem Gewicht hervorzuwälzen, aber er hatte geistesgegenwärtig auch schon mein linkes Fußgelenk umkrampft.
    Ich bekam das rechte Bein frei und trat ihm mit aller Wucht auf die Hände. Leider trug ich nur die dünnen Strohsandalen, die hier in diesem gesegneten Lande zur offiziellen Kluft der Todeskandidaten gehören. So war der Tritt natürlich nur halb so wirkungsvoll, als wenn es ein paar schöne Lederabsätze gewesen wären.
    Immerhin rutschten seine Hände ab, und ich bekam auch das linke Bein frei. Ich zog die Füße an mich heran, schnellte mich hoch und ließ mich einfach vornüber auf den Kerl fallen.
    Leider faßte er meinen Hals früher als ich den seinen. Aber für solche Mätzchen haben wir ständiges Training in Jiu-Jitsu. Und das ist ein feiner Sport, das dürfen Sie mir glauben.
    Ich riß meine Hände hoch, ertastete in Bruchteilen von Sekunden seine kleinen Finger und drehte sie ab.
    Er stieß einen spitzen Schrei aus und ließ meinen Hals los. Ich griff nach der Taschenlampe, die ihm entfallen war, und stand auf. Er kam langsam auf die Beine. Seine Finger mußten ihm ziemlich weh tun, denn er hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Trotzdem kam er auf mich zu und ging mich an.
    Nun, einem fairen Boxkampf bin ich noch nie ausgewichen. Und jetzt war die Sache fair. Wir standen beide. Ich machte, für ihn überraschend, einen Schritt nach vorn und setzte ihm die Faust vorschriftsmäßig an die Kinnspitze. Sie saß so genau, daß jeder Boxtrainer seine helle Freude daran gehabt hätte.
    Er verdrehte ein wenig die Augen und ging langsam zu Boden. Na, wenn es nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich gezählt. Bis neun wäre ich bestimmt gekommen.
    So aber zog ich ihn am Rockkragen hoch und lehnte ihn gegen die Felswand. Am Kragen hielt ich ihn fest, damit er nicht wieder zusammensackte. Mit der Linken leuchtete ich ihn an, damit ich sah, wann er wieder in die irdischen Gefilde zurückkehrte.
    Er tat es nach einer ziemlich langen Zeit. Als das erste Regen durch seinen Körper lief, schnappte ich mir sein rechtes Handgelenk und drehte es ihm im altbekannten Polizeigriff auf den Rücken. Dabei verdrehte ich ihm die Hand so, daß der kleine Finger nach oben sah.
    Jetzt genügte eine winzige Drehung, um ihm klarzumachen, daß er nicht mehr auf dumme Gedanken kommen durfte. Als er wieder alle Sinne beisammen hatte, sagte ich: »Komm, Junge, jetzt wollen wir gehen.«
    Er hatte noch immer nicht kapiert, was eigentlich gespielt wurde.
    »Gibst du mir wenigstens fünfundzwanzig Prozent von dem Geld ab?« fragte er kläglich.
    »Quatsch nicht, zeig den Weg!«
    Er wurde wieder bockig. Ich drehte ein bißchen an seinem Handgelenk.
    Er übernahm die Führung. Zwar versuchte er noch ein paarmal, die Rede auf das Geld zu bringen, aber ich antwortete ihm nicht. Nur hin und wieder, wenn er stehenbleiben wollte, mußte ich ihm sein Handgelenk ein wenig bewegen. Das wirkte immer.
    Wir landeten an einer Stelle, wie ich sie mir ungefähr gedacht hatte: Der Gang endete zwischen zwei ziemlich unzugänglichen Klippen, die obendrein von wilden Farnbüschen überwuchert waren. Später erfuhren wir, daß der Gang schon vorhanden gewesen war, als man das Zuchthaus baute. Unser Musterarchitekt hatte nur die Verbindung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher