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002 - Der Hexenmeister

002 - Der Hexenmeister

Titel: 002 - Der Hexenmeister
Autoren: B.R. Bruss
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der Oberfläche verschwand. Unter Wasser sah ich ihn auf einen länglichen, hellen Gegenstand zuschwimmen. Gleich darauf stellte ich fest, dass es sich um die Ertrunkene handelte.
    Patrick packte sie mit dem üblichen Rettungsgriff und schwamm mit ihr nach oben. Ich folgte ihm. Dabei sah ich, wie sich aus der Hand der Frau ein Gegenstand löste. Ich fing ihn auf und steckte ihn in die Tasche meiner Badehose. Dann tauchte ich auf und schwamm neben Patrick zum Ufer. Ich half ihm, die Ertrunkene an Land zu bringen.
    Hervé folgte uns und beugte sich über die Tote, um sie zu untersuchen.
    »Man muss einen Arzt holen!« rief eine Frau.
    »Ich bin Arzt«, erwiderte Hervé. »Aber es ist leider schon zu spät. Sie ist tot.«
    Er hatte recht. Auch als der Rettungswagen mit einem Sauerstoffapparat kam, war der Frau nicht mehr zu helfen.
    Die Tote war jung und schön. Ich betrachtete sie voller Mitgefühl. Das lange nasse Haar war von hellem Blond, das bleiche Gesicht feingeschnitten. Sie trug ein einfaches, aber sehr elegantes weißes Kleid. Der nasse Stoff schmiegte sich an ihren schlanken, schönen Körper.
    »Merkwürdig«, sagte Patrick, »sie kommt mir so bekannt vor.«
    »Ja, mir auch«, erwiderte ich.
    Die Tote hatte keinen Ausweis bei sich.
    »Es kann ja sein, dass sie eine Handtasche hatte«, bemerkte ein Polizist, »die dann die Strömung weggetragen hat.«
    Ich fragte mich, was für ein Kummer, was für ein Schicksalsschlag dieses schöne junge Mädchen in den Tod getrieben haben mochte. Doch inzwischen war es spät geworden. Wir gingen zum Boot zurück.
    »Ich muss rasch nach Hause, mich umziehen«, sagte ich, »sonst komme ich zu spät in die Schule.« Glücklicherweise waren wir schon in der Nähe meiner Wohnung angekommen.
    Als ich auf dem Boot die Badehose auszog, um meine Leinenhose anzulegen, fiel mir der Gegenstand ein, den ich aufgefangen hatte, als er der Hand der Toten entglitt. Içh zeigte ihn meinen Freunden.
    Der Gegenstand ging von Hand zu Hand, während ich berichtete, wo ich ihn herhatte.
    »Weißt du, was das ist?« fragte mich Lionnel.
    »Ja. Ich glaube, es ist eine Seine-Figur.«
    »Stimmt«, erwiderte Lionnel, der in Kunstgeschichte sehr bewandert war.
    »Erklärt das mal«, verlangte Hervé. »Was ist eine Seine-Figur?«
    Es handelte sich um eine kleine Figur aus Blei, die ein nacktes Männchen mit einem dicken Bauch darstellte. Sein Gesicht war zu einem hämischen Grinsen verzogen, und um den Hals trug es eine Perlenkette.
    »Diese Figuren sind von Antiquitätensammlern sehr gesucht«, erklärte Lionnel, »weil es nicht mehr viele gibt. Sie sind immer zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch und gleichen primitiven Skulpturen, ähnlich afrikanischen Götterbildern. Man nimmt an, dass man diese kleinen Figuren früher hier in Paris am Ufer der Seine an Pilger und andere Reisende verkaufte. Diese warfen sie dann in den Fluss, weil es hieß, dass dies Glück bringt. Daher nennt man sie heute Seine-Figuren.«
    Ich hatte mich inzwischen fertig angezogen. »Also dann bis heute Abend«, sagte ich und steckte das Figürchen in die Hosentasche.
    Wir hatten vereinbart, abends gemeinsam bei mir zu essen und uns dabei zu überlegen, wohin wir unseren nächsten Ausflug mit dem neuen Boot machen wollten.
    Mit raschen Schritten ging ich nach Hause, zog mich um, stieg in meinen Wagen und fuhr zur Schule, um die Unterrichtsstunden zu erteilen, die ich an diesem Tag zu geben hatte. Der Tag verging für mich wie jeder andere.
    Um fünf Uhr nachmittags kehrte ich heim. Eine Stunde lang korrigierte ich Hefte, dann ging ich kurz fort, um etwas für das Abendessen einzukaufen. Ich rückte den Tisch vor das große Fenster, durch das man einen herrlichen Blick auf die schönste Ecke von Paris hatte. Man sah die Kathedrale Notre-Dame am anderen Seine-Ufer und auch den Fluss selbst. Sein Anblick ließ mich an unseren »Pirat« denken, denn so hatten wir unser Boot getauft.
    Bald darauf trafen meine Freunde ein, und wir begannen zu essen. Patrick und Hervé hatten eine Flasche Sekt mitgebracht, um dem Mahl eine feierliche Note zu verleihen. Obwohl wir sonst keinen Alkohol tranken, erhoben wir nun die Gläser und stießen auf das Wohl von »Pirat« an.
    »So, jetzt werde ich Kaffee kochen«, sagte ich dann und erhob mich.
    Von meinem Wohnschlafzimmer aus führte ein kurzer enger Gang in die winzige Küche. Von diesem kleinen Korridor aus gelangte man auch ins Bad.
    Als ich die Küche betrat, erwartete mich der erste
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