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002 - Der Hexenmeister

002 - Der Hexenmeister

Titel: 002 - Der Hexenmeister
Autoren: B.R. Bruss
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auch wieder aufgetaucht. Das alles ist vollkommen unerklärlich. Haben wir vielleicht irgendeine Droge zu uns genommen, die Halluzinationen erzeugt?«
    Lionnel zuckte die Achseln. Er wies auf das Figürchen. »Eigentlich gibt es nur eine Erklärung für das alles. Nämlich dass dieses grinsende Männchen da …«
    »Du bist ja verrückt«, erwiderte Patrick heftig. »Du wirst doch wohl nicht daran glauben, dass die Figur …« Er verstummte.
    »übernatürliche Kräfte besitzt?« vollendete Lionnel seinen Satz. »Normalerweise würde ich das nicht glauben, aber nach dem, was sich heute Abend ereignet hat …«
    »Nein, das gibt es nicht«, sagte Patrick. »Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass es …«
    Er brach ab. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck erschrockenen Staunens. Im Zimmer war eine Stimme zu hören. Es war nicht festzustellen, woher sie kam. Sie sagte nur wenige Worte:
    »IHR MÜSST ES WISSEN.«
    Wir waren alle drei zusammengefahren. Jetzt blickten wir unter den Tisch, die Couch, die Sessel, öffneten den Schrank und sahen in den anderen Räumen nach. Nichts.
    Dann trat Lionnel an den Tisch. Er betrachtete das Männchen, fasste es aber nicht an.
    »Glaubt ihr mir jetzt?« fragte er.
    Niemand wagte zu antworten. Der Schreck saß uns noch in den Gliedern.
    »Was machen wir jetzt?« fragte ich schließlich.
    »Ich bin völlig fertig«, sagte Lionnel und ließ sich in einen Sessel fallen.
    Auch ich war ganz erschöpft und streckte mich auf der Couch aus. Ich schloss die Augen, bemühte mich jedoch, nicht einzuschlafen. Aber dann übermannte mich anscheinend doch der Schlaf. Ich wurde plötzlich durch Stimmengewirr munter. Hervé war wieder da.
    Sein Gesicht war bleich, aber er sah nicht annähernd so elend aus wie ich, als ich zurückgekehrt war.
    »Das ist ja wirklich unglaublich«, sagte er.
    »Wo kommst du her?« fragte ich.
    »Aus der Küche«, erwiderte er. »Genau wie du. Aber inzwischen war ich woanders.«
    »Es stimmt, er ist aus der Küche gekommen«, bemerkte Patrick. »Lionnel und ich haben ihn kommen sehen.«
    »Jetzt können wir es nicht mehr bezweifeln. Es handelt sich um Zauberei.«
    »Erzähl erst mal, was du erlebt hast«, verlangte Patrick.
    »Es hat bei mir genau angefangen wie bei Georges, nämlich sofort, als ich die Küche betrat. Ich war aber dann nicht in einem finsteren Verlies, sondern trat plötzlich aus dem Portal von Notre-Dame auf den Platz. Und zwar auch, wie Georges, im 15. Jahrhundert. Die Kleidung der Leute, ihre Sprache und die Häuser bewiesen es mir. Ich hatte keine Angst, und ich wunderte mich eigentlich auch nicht über das, was mir geschah. Ich trat aus der Kathedrale und wusste, dass ich mit jemandem verabredet war, der mich irgendwohin bringen wollte. Ich fühlte mich durchaus wohl und erinnerte mich mit Vergnügen an das ausgezeichnete Mittagessen, das ich soeben in einem Gasthof zusammen mit zwei Freunden eingenommen hatte. Einer dieser Freunde warst du, Georges.«
    »Ich?«
    »Ja. Und wir hatten nicht nur sehr gut gegessen – Hasenbraten – sondern auch dazu einen ausgezeichneten Tropfen getrunken.«
    »Du hattest also auch die Erinnerungen der Person, die du plötzlich geworden warst?« fragte ich. »Mir ging es genauso. Diese Erinnerungen waren allerdings sehr verschwommen.«
    »Ja, ich konnte mich an verschiedenes erinnern. Ich wusste zum Beispiel, dass ich als Dozent der Medizin an der Universität Vorlesungen hielt. Ich hatte eine Frau, die ich sehr liebte, und einen Sohn mit zwei Jahren sowie eine Tochter von acht Monaten. Ich hatte auch gar nicht das Gefühl, dass ich plötzlich jemand anders sei, und als ich mich zufällig in einem Schaufenster sah, hatte ich auch dasselbe Äußere wie jetzt.«
    »Und ich«, fragte ich, »was hatte ich für einen Beruf? Wie habe ich ausgesehen? Wenn du dich daran erinnern kannst, dass wir zusammen gegessen haben, weißt du das doch sicher auch.«
    »Allerdings. Du warst ebenfalls Professor an der Uni – für Literatur. Wie ich warst du in der Tracht eines Professors jener Zeit. Beim Essen sprachen wir über Probleme der Sternkunde. Der dritte am Tisch war ein Richter. Er hatte uns eingeladen. Sein Name war Paul de Horsch.«
    Ich zuckte zusammen.
    »Paul de Horsch? Das ist doch … Den Namen kenne ich. Er hat auf der Tribüne gesessen, als ich verbrannt wurde.«
    »Erzähl weiter, Hervé«, sagte Patrick. »Wie hast du denn geheißen?«
    »Ich hatte meinen eigenen Namen und Georges auch. Du ebenfalls, Lionnel. Dich hatte
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