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002 - Der Hexenmeister

002 - Der Hexenmeister

Titel: 002 - Der Hexenmeister
Autoren: B.R. Bruss
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ich am Morgen gesehen – zumindest war es so in meiner Erinnerung – und auch du trugst deinen Namen von heute. Du warst vor etwa zwölf Jahren mit deiner Familie aus Florenz nach Paris gekommen.«
    »Merkwürdig«, sagte Lionnel. »Meine Familie stammt tatsächlich aus Florenz. Sie ist, soviel ich weiß, Anfang des 15. Jahrhunderts nach Frankreich eingewandert.«
    »Ich verließ also die Kirche«, setzte Hervé seinen Bericht fort. »Bei mir war es aber nicht Juli, sondern März. Ich ging über die Tournelle-Brücke, und dabei verlor ich immer mehr das Gefühl, jemand anders zu sein. Ich wusste, dass ich ›eine Verabredung mit Jacques Vel hatte, und dass wir dann gemeinsam jemanden aufsuchen würden, den ich noch nicht kannte.«
    »Jacques Vel?« unterbrach ich ihn. »Er war auch Professor an der Universität, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Hervé. »Er war älter als ich, ein sehr kühner Denker.«
    Patrick griff sich an die Stirn. »Der Name kommt mir auch bekannt vor. Aber los, erzähl weiter. Was geschah dann?«
    »Ich erreichte bald darauf das Haus, in dem Jacques Vel wohnte. Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt, temperamentvoll und klug. Ich hatte ihn immer schon verehrt. Genau kann ich mich jetzt nicht mehr an unser Gespräch erinnern, aber ich weiß, dass er mich fragte:,Ihr seid also fest entschlossen?‹ und ich erwiderte: ›Ja.‹ Dann sagte er: ›Ich kann Euch im Augenblick noch nicht sagen, worum es sich handelt. Ich bin verpflichtet zu schweigen. Die ganze Angelegenheit ist äußerst gefährlich.‹ Ich erwiderte: ›Das weiß ich.‹ ›Deshalb müsst Ihr auch über alles Stillschweigen bewahren‹, fuhr er fort, und ich versprach es. Dann brachen wir auf. Wir bestiegen eine Kutsche, die Jacques Vel selbst lenkte. Eine kurze Strecke fuhren wir aus der Stadt heraus, dann durch ein kleines Wäldchen, bis zu einem anderen Gehölz. Dort hielten wir, und Jacques Vel verband mir die Augen. Er half mir aus der Kutsche und führte mich wie einen Blinden. Wir gelangten in einen Gang, in dem es nach Moder roch. Eine ganze Weile ging es so dahin, bis Jacques Vel eine Tür öffnete. ›So, jetzt könnt Ihr die Binde von den Augen nehmen‹, sagte er. Wir standen in einem engen Korridor, der zu einem großen Raum führte, eine Art Kellergewölbe ohne Fenster, aber wie ein Zimmer möbliert.«
    »Stand nicht eine geschnitzte Truhe darin, auf deren Seitenwand ein stehender Löwe zu sehen war?« rief ich erregt.
    »Ja!« erwiderte Hervé. »Woher weißt du das?«
    »Keine Ahnung.«
    »In dem Zimmer hing auch ein Wandteppich«, sagte Patrick. »Auf ihm war ebenfalls ein aufrecht stehender Löwe zu sehen und auch eine Sonne. Das ist allerdings das einzige, woran ich mich erinnern kann. Aber erzähle weiter.«
    »Du hast recht«, erwiderte Hervé. »So ein Wandteppich hing dort. Hinter einem schweren Tisch saß ein Mann, der mich sehr beeindruckte. Er war wirklich eine imponierende Erscheinung. Er hatte weißes Haar, war etwa sechzig Jahre alt, und die Augen in seinem edel geformten Gesicht blickten gütig.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Lionnel plötzlich. »Daran kann ich mich erinnern. Der Mann war mein Vater.«
    »Dein Vater?« rief ich überrascht.
    »Das heißt, der Vater von dem, der ich damals war. Es ist sehr schwer zu erklären, aber ich weiß, dass es so war. Vermutlich war es mein Ahne, Michael Dosseda. Ja, und ich erinnere mich daran, dass ich verheiratet war. Meine Frau befand sich mit unserem Sohn damals in Italien, wo sie ihre Verwandten besuchte. Was hat der alte Mann denn zu dir gesagt?«
    »Er begrüßte mich überaus freundlich und stellte mir viele Fragen, über mein Leben, meine Ansichten, meine Arbeit an der Universität. Dann betrachtete er die Linien meiner linken Hand und sah mir lange schweigend in die Augen. ›Ja, Hervé Migal‹, sagte er dann, ›Ihr sollt einer der Unseren sein.‹ Er drückte mir die Hand, und gleich darauf kam ein bezauberndes Mädchen in den Raum, blond und ungewöhnlich schön. Es war die Tote, die Patrick aus der Seine geborgen hat.«
    »Laura!« rief ich.
    »Sie hat mir ihren Namen nicht genannt. Der alte Mann übrigens auch nicht. Das Mädchen brachte uns einen Imbiss. Während wir aßen, unterhielten wir uns über alles mögliche. Das Mädchen leistete uns Gesellschaft. Dann erhob sich der alte Mann. ›Wir können jetzt mit Eurer Einweisung beginnen‹, sagte er. ›Folgt mir, mein Freund.‹ Er führte mich in einen anderen Raum, der mit wenigen dunklen Möbeln
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