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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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sicher, aber zugleich wußte er auch, daß er machtlos war gegen das Unheimliche, das Dr. Calgaros Landsitz wie eine geheimnisvolle Ausstrahlung umgab.
    In Redhorn steuerte Jim zunächst einmal das einzige Hotel an.
    Er brauchte einen Whisky. Und er wollte mit Jessica sprechen, der Tochter des Wirts, mit der er verlobt war. Er sah sich in dem gemütlichen, um diese Zeit fast leeren Gastraum um, aber da er weder Jessica Havilland noch ihren Vater entdecken konnte, ging er zur Theke und ließ sich von der rothaarigen Serviererin einen Drink geben.
    Als er sich umwandte, steuerte ein Mann auf ihn zu.
    Er hatte ihn eben schon flüchtig gesehen – ein Fremder, daran gab es keinen Zweifel, da in Redhorn noch jeder jeden kannte. Ein Geschäftsmann vielleicht, den es hierher verschlagen hatte. Er war sehr groß und sehr schlank, hatte ein schmales, eigentümlich sanftes Gesicht mit silbergrauem Haar und hellen Augen, und allein schon seine elegante teure Kleidung reichte aus, um ihn in dieser Umgebung zu einer auffälligen Erscheinung zu machen.
    Jim brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß der Unbekannte tatsächlich auf ihn zukam und nicht etwa mit der Bedienung sprechen wollte. Der Junge runzelte die Stirn. Mißtrauisch zog er die Lider zusammen – doch das Lächeln des Fremden wirkte vertrauenerweckend.
    »Sie sind Jim Coltrane?« fragte er halblaut.
    Jim nickte. Mit leisem Unbehagen spürte er den ruhigen, forschenden Blick seines Gegenübers.
    »Mein Name ist Alban Marric«, sagte der Fremde langsam. »Ich habe Ihre Geschichte in der Zeitung gelesen, und ich möchte mit Ihnen darüber sprechen.«
    Jim biß sich auf die Lippen.
    Mechanisch blickte er auf und überzeugte sich davon, daß die Serviererin außer Hörweite war. Immer noch erfüllte ihn das hellwache Mißtrauen.
    »Sind Sie von der Polizei?« fragte er zögernd.
    Der Fremde schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Aber ich interessiere mich trotzdem für die drei verschwundenen Mädchen. Leider kann ich Ihnen im Moment den Grund nicht erklären. Formulieren wir es einmal so: Sie suchen Ihre Schwester – und ich suche den Mann, der möglicherweise mit dem Verschwinden Ihrer Schwester zu tun hat…«
    »Dr. Calgaro?« fragte Jim aus einem Impuls heraus.
    Der Fremde riß den Kopf hoch.
    Für Sekunden weiteten sich seine Augen, wurden fast durchsichtig, und in den hellgrauen Irisringen schienen winzige Eiskristalle zu tanzen. Wie eine körperliche Berührung spürte Jim die hypnotische Kraft dieses Blickes, er fuhr zusammen, wollte zurückweichen – doch Sekunden später war schon wieder alles vorbei.
    Der Fremde atmete tief durch. Er wandte das Gesicht ab, so daß Jim seine Augen nicht mehr sehen konnte. Seine Stimme klang ruhig und normal.
    »Dr. Calgaro«, wiederholte er gedehnt. »Er ist also hier. Erzählen Sie, bitte…«
    ***
    Nicole Duval musterte die Gegend mit allen Anzeichen der Mißbilligung.
    Sie saß zurückgelehnt auf dem Beifahrersitz des schwarzen Miet-Cadillac, verpackt in hohe Stiefel, einen weiten, wadenlangen Tweedrock, einen dicken Rollkragenpullover und eine dazu passende Strickmütze. Professor Zamorra hatte hinter dieser Kluft zunächst Anpassung an die provinzielle Umgebung von Château Montagne vermutet – bis ihm angesichts Hunderter ähnlich gekleideter Girls in New York klargeworden war, daß es sich wahrscheinlich um die neueste Wintermode handeln mußte. Nicole wirkte selbst in dieser rustikalen Vermummung noch zerbrechlich. Sie rauchte eine Zigarette, ein paar freche rostrote Locken schauten unter dem Mützenrand hervor, und in den großen dunklen Augen unter den dichten Wimpern tanzten grünliche Reflexe.
    »Zauberhaft«, murmelte sie. »Eine amerikanische Kleinstadt im November! Genau, was ich liebe.«
    Zamorra lächelte. Nicole war zwar seine Sekretärin – aber sie neigte durchaus nicht dazu, Anordnungen, die ihr unvernünftig vorkamen, widerspruchslos hinzunehmen. Und ihre Ansichten über Vernunft unterschieden sich in einigen Punkten nun einmal ganz erheblich von denen ihres Arbeitgebers.
    »Würden Sie Château Montagne im November vorziehen?« fragte der Professor mit einem Anflug von sanftem Spott.
    Nicole schoß ihm einen schrägen Blick zu. Einen Blick von der Sorte, die bei jedem normal veranlagten Mann die Pulsfrequenz steigert.
    »Allerdings«, sagte sie trocken. »An das Schloß habe ich mich nämlich inzwischen gewöhnt. Es kann sehr gemütlich sein. Jedenfalls, wenn Raffael den Kampf mit dem Kamin
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