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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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wie eine Woge auf sie übergriff, ihr Bewußtsein erfüllte und ihre Gedanke lähmte.
    »Mein Name ist Giordano Calgaro«, sagte der Fremde mit einer heiseren, eigentümlich brüchigen Stimme.
    Anabel schluckte.
    Ihr Kopf war seltsam leer und leicht. Verzweifelt versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen, suchte nach den Fragen, die sie hatte stellen wollen.
    »Sie sind Arzt?« murmelte sie schließlich mühsam.
    »Ja, ich bin Arzt. Ich werde Sie operieren, Anabel. Keine Angst, es ist ganz leicht, Sie haben keine Schmerzen! Bist du fertig, Maria?«
    Die letzten Worte hatte er über die Schulter gerufen. Erneut klangen Schritte auf, dann erschien eine zweite Gestalt neben ihm. Anabel erkannte die herben, klaren Züge eines schwarzhaarigen Mädchens.
    »Maria?« flüsterte sie überrascht. »Maria Benetti?«
    Die Schwarzhaarige antwortete nicht.
    Mit zwei Schritten trat sie näher an den Operationstisch. Ihre Hände bewegten sich – und Anabel fühlte, wie ein glatter, kühler Lederriemen um ihre Stirn gelegt wurde.
    Sie atmete heftig. Für Sekunden war der Schrecken stärker als die eigentümliche Betäubung.
    »Nein!« keuchte sie. »Ich will nicht! Nein, ich…«
    »Es wird nicht weh tun!« Die Stimme des Fremden klang monoton und ausdruckslos, die bernsteingelben Augen funkelten. »Operationen am Gehirn sind schmerzlos. Ich werde eine Sonde einpflanzen, ich werde den Schädel mit einer Silberplatte verschließen und die Kopfhaut mit allem Haar wieder zusammennähen. Sie werden so schön sein wie früher, Anabel. Und Sie werden mir gehören.«
    Sie wehrte sich.
    Ihr Bewußtsein bäumte sich auf, die Angst in ihr schien zu explodieren. Aber da waren die Augen! Diese gelben Augen, die bis auf den Grund ihres Selbst drangen, ihren Widerstand lähmten und ihre Gedanken aufzusaugen schienen.
    Sie versank.
    Versank in einem dunklen Strudel, aus dem es kein Entkommen gab und der sie in ein Reich trug, das sie nicht kannte.
    »Ja«, flüsterte sie fiebrig. »Ja, ja, ja…«
    ***
    Jim Coltrane marschierte mit zusammengebissenen Zähnen durch die Dunkelheit.
    Er hatte die Fäuste in die Taschen geschoben, und sein schmales offenes Jungengesicht wirkte blaß im Mondlicht. Die Straße schnitt fast schnurgerade durch das Waldstück. Irgendwo hier draußen hatte die Polizei Anabel Vertons Wagen gefunden. Sie selbst war spurlos verschwunden. Genauso spurlos verschwunden wie vor einem halben Jahr Maria Benetti – und wie vor drei Wochen Jims Schwester Claire.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Was er hier suchte, wußte er selbst nicht so genau. Aber er wußte, daß er sich nicht zufriedengeben konnte mit dem, was die Polizei glaubte. Sicher, daß junge Mädchen verschwanden, war nicht ungewöhnlich. Die Sache mit Maria damals hatte ihn nicht besonders aufgeregt. Sie war leichtsinnig und lebenshungrig gewesen, und alle Welt glaubte, daß sie einfach genug von dem eintönigen Trott in ihrem Heimatdorf gehabt hatte. Aber Claire? Seine kleine Schwester? Nein, Claire riß nicht einfach von zu Hause aus.
    Und Anabel? Welchen Grund sollte Anabel Verton haben, plötzlich zu verschwinden? Sie war in New York ein erfolgreiches Fotomodell gewesen. Sie hatte ihre Eltern besuchen wollen – so wie jedes Jahr, und ihr Wagen war verlassen an einer einsamen Landstraße gefunden worden. Selbst die Polizei schien in diesem Fall ein Verbrechen nicht auszuschließen, doch auf den Gedanken, daß es zwischen Maria Benetti, Claire Coltrane und Anabel Verton einen Zusammenhang gab, war bisher nur Jim gekommen.
    Unsinn, hatte der Lieutenant aus der Nachbarstadt gesagt.
    In Nestern wie Redhorn passiere es immer wieder, daß Mädchen ihren Eltern davonliefen. Wo man denn hinkomme, wenn man da jedesmal einen Zusammenhang mit ähnlichen Fällen konstruieren wolle? Anabel Vertons Verschwinden – das sei etwas ganz anderes, da gebe es rätselhafte Umstände und auch handfeste Spuren. Aber sonst…
    Jims Schultern spannten sich. Er ging langsamer, suchte mit den Augen den Straßenrand ab. Rechts von ihm klaffte eine Lücke im Buschwerk, dort begann der Weg, der zur Villa von Dr. Calgaro führte. Etwa fünfzig Yard dahinter war Anabels Wagen, entdeckt worden. Zwei Tage lag das jetzt zurück. Die Polizei hatte ihre Ermittlungen beendet, der Sportflitzer war abtransportiert worden. Lediglich auf dem Pflaster mußte es noch ein paar Kreidestriche geben und…
    Jims Gedanken stockten.
    War da nicht ein Schatten gewesen? Eine Bewegung in der
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