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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube
Autoren: Horst Friedrichs
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Negra‹ verschwunden?«
    Zamorra hatte sich den Auszug aus dem Archiv des Marinemuseums Bilbao vorgenommen. Plötzlich straffte sich sein Körper. »Hier! Es gibt einen Stammbaum der Familie Saldana, denn alle bedeutenden Kapitäne der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurden auf diese Weise verewigt. Der Capitano des Passagierdampfers ›Ovidio‹ wurde 1865 in Zaragoza geboren, heiratete eine gewisse Maya, die 1912 gemeinsam mit ihm bei einem Unglück vor den Kanarischen Inseln ums Leben kam.«
    »Phänomenal«, stieß Bechet aus.
    »Der einzige Sohn Jorge, 1890 geboren, heiratete ein Mädchen namens Lillas. Sie gingen nach Frankreich, und er kam 1917 als Maat auf einem französischen Kriegsschiff um. Lillas starb ein Jahr später aus Gram, wie es heißt.«
    »Chef, worauf wollen Sie hinaus?« sagte Nicole ziemlich entsetzt.
    »Aus der Ehe von Jorge und Lillas gingen zwei Söhne hervor, die bei Ausbruch des Krieges vorsorglich nach Spanien zurückgeschickt wurden und von Freunden der Familie großgezogen wurden. Alberto, 1913 geboren und mit einem Mädchen namens Nelida verheiratet, wanderte mit ihr nach Argentinien aus. Sie starben gemeinsam bei Unruhen im Jahr 1943, wurden von Terroristen auf grausame Weise zerstückelt. Narciso Saldana, der Bruder von Alberto, kam 1933 im spanischen Bürgerkrieg ums Leben. Er hatte ein Verhältnis mit der Frau eines Waffenschiebers aus Amsterdam gehabt, mit einer gewissen Anne Pravemann. Sie brachte einen Jungen zur Welt. Joop Pravemann. Den Mann, der vor 24 Stunden auf so fürchterliche Weise seine Reise ins Jenseits antrat.«
    »Alberto und Nelida hatten keine Kinder?« erkundigte sich Bechet. Seiner Miene war die Spannung abzulesen, die ihn ergriffen hatte.
    »Doch«, sagte Zamorra ernst. »Ein Junge namens Everildo wurde 1938 geboren, die Töchter Rosa und Micaela in den Jahren 1939 und 1943. Sie wurden, so weit geht die Präzision des Stammbaumes, von den Terroristen verschont. Wo sie heute leben, haben die Leute, die im Archiv des Marinemuseums arbeiten, natürlich nicht ermittelt. Interessant ist noch, daß Cesar Saldana und alle gestorbenen Nachkommen jeweils im Oktober den Tod fanden, dem Monat, an dessen 13. Tag im Jahre 1899 Raspani mit seiner ›Estrella Negra‹ sank.«
    »Auch jetzt ist Oktober.« Der Geschichtswissenschaftler schluckte.
    Nicole protestierte. »Chef, Sie übertreiben! Sie wollen nachweisen, daß dieser Raspani seinen Fluch wahrgemacht hat, nicht wahr? Schön, warum hat er dann Joop Pravemann nicht eher umgebracht oder Everildo, Rosa oder Micaela? Warum ausgerechnet jetzt das tragische Ende des Holländers – heute, fünfundsiebzig Jahre nach dem Unglück der ›Estrella Negra‹?«
    »Das weiß nur Raspani.«
    »Aber…«
    »Wer sagt Ihnen, wo sich Everildo, Rosa und Micaela aufhalten und ob sie nicht schon tot sind, Nicole? Wir müssen sie finden.«
    »Chef…«, sie stand auf, »sehen Sie sich doch bitte mal Raspanis Stammbaum an. Er wird wohl ebenso wie Saldana in dieser Dokumentation verewigt sein, und ich wette, daß auch seine Kinder und Enkel nicht mehr unter den Lebenden weilen …«
    Zamorra schüttelte den Kopf.
    »Raspani war Vollwaise. Und er war nie verheiratet oder hatte nachweislich uneheliche Kinder.«
    »Ungeheuerlich«, kommentierte Jules Bechet.
    »Und wie lautet jetzt Ihre phantastische Theorie?« wollte Nicole Duval von ihrem Chef wissen.
    »Raspanis Geist hat sich gleich nach dem Untergang der ›Estrella Negra‹ aus dem Körper gelöst, hat nie Ruhe gefunden. Ich bin überzeugt, daß er durch magische Kräfte die Besatzung des Marinekutters Aragon beeinflußte, sobald das Schiff in seine Nähe kam. Raspani verwandelte die fünfzehn Toten in Gespenster und machte sie sich Untertan. Damit hatte er die Wesen, die ihm halfen, sein Schiff wieder flottzumachen, die 200 Meter lange ›Estrella Negra‹, mit der er sich auf die Suche nach den Opfern seiner Rachepläne machte und die sich in diesem Augenblick irgendwo auf einem der so unendlich großen Weltmeere befindet.«
    Nicole und Jules Bechet starrten Zamorra an.
    Sie konnten nicht verbergen, wie erschüttert sie waren.
    ***
    Gewitterwolken hatten sich im Morgengrauen über dem Atlantik geballt und den Himmel wieder verfinstert. Blitze zerrissen in kurzen Zeitabständen die Dunkelheit. Donnergrollen begleitete das Rauschen der Wogen, die von einem immer stärker treibenden Wind aufgetürmt wurden. Inmitten dieses Hexenkessels glitt das Schiff dahin – lautlos, hell erleuchtet,
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