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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen
Autoren: Delfried Kaufmann
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öffnete auf mein Läuten. Ich bat sie, mich Miss Canzer oder Miss Thomper zu melden, obwohl es allmählich auf Mitternacht zuging. Sie tat es, und Ann kam mir in der Halle entgegen.
    »Wie geht es ihr?« fragte ich.
    »Danke gut«, antwortete sie. »Kommen Sie mit, Mr. Cotton!«
    Sie führte mich in den Arbeitsraum.
    Charlot Canzer ging im Zimmer auf und ab. Sie sah gar nicht zu mir hin, als ich eintrat. Ihr Puppengesicht trug ein verzücktes Lächeln, und ihre großen blauen Augen waren in die Ferne gerichtet.
    »Charlot«, sagte Ann sanft, »hier ist Mr. Cotton, der FBI-Beamte. Er wird dir Fragen stellen wollen.«
    Das Mädchen richtete seinen Blick auf mich, aber es war, als sähe es durch mich hindurch.
    »Vielen Dank für Ihre Bemühungen, Mr. Cotton«, sagte sie, »aber es ist alles klar. Ich habe Mutter gesehen.«
    »Sie haben heute an einer Sitzung teilgenommen, Miss Canzer«, sagte ich streng. »Was geschah danach?«
    »Der ›Meister‹ empfing mich«, antwortete sie in einem sanften Sing-Sang. »Oh, es war herrlich. Ganz in Gold, und ein geheimnisvolles Zeichen in Diamanten leuchtete auf seiner Stirn. Er sprach tröstliche Worte. Ich war froh und leicht, als ich ihn verließ. So froh und so leicht wie meine Mutter. Nein, nur fast so froh und so leicht.«
    »Miss Canzer«, sagte ich eindringlich. »Bitte, sagen Sie mir genau, was der Mann zu Ihnen sprach. Bitte beschreiben Sie ihn.«
    »Ganz in Gold«, flötete sie. »Diamanten schimmerten von seiner Stirn. Tröstlich klangen seine Wort. Ich…«
    Sie wiederholte fast wörtlich, was sie eben gesagt hatte. Während sie ihre Sätze mehr sang als sprach, fiel mein Blick auf den schmalen Samtkasten, den sie fest in beiden Händen hielt.
    Ich unterbrach sie.
    »Wollen Sie mir bitte den Kasten zeigen«, verlangte ich und streckte die Hand aus.
    Sie wich sofort zwei Schritte zurück.
    »Bitte, geben Sie mir sofort den Kasten!« forderte ich energisch. »Oder öffnen Sie ihn wenigstens.«
    »Nein!« schrie sie schrill. »Ein Geheimnis! Es verliert seinen Zauber! Berühren Sie es nicht!«
    Ich bin nicht gerade ein grober Klotz, aber ich hätte es ihr mit Gewalt genommen, wenn Ann Thomper nicht ihre Hand auf meinen Arm gelegt hätte.
    »Lassen Sie es ihr«, bat sie. »Sie ist aufgeregt genug. Es kann jeden Augenblick ein Zusammenbruch erfolgen.«
    »Und wenn eine Ampulle mit Zyankali darin ist?«
    »Ich werde es ihr abnehmen, wenn sie schläft, aber ich glaube nicht, daß es Zyankali enthält.«
    »Erzählen Sie mir, was sich ereignet hat, als Sie zusammen den Raum verließen.«
    »Einer von den Dienern mit den schwarzen Kapuzen trat auf uns zu und flüsterte, der ›Meister‹ möchte uns sehen. Er führte und durch einen schmalen Seitengang offenbar zu dem Hausflügel, der hinter dem runden Saal liegt. Wir warteten in einem Zimmer, das wie ein gut eingerichtetes Büro aussah. Dann kam der Diener wieder und sagte, der ›Meister‹ möchte nur Miss Canzer sprechen. Er führte Charlot in einen zweiten Raum, der durch schwere Verhänge abgeteilt war. Sie blieb ziemlich lange fort, und ich begann, mir Vorwürfe zu machen, daß ich sie überhaupt hatte gehen lassen, aber dann erschien sie wieder, hatte das Kästchen in den Händen und schien wie ausgewechselt.«
    »Sie wissen also auch nicht, mit wem und was sie gesprochen hat?«
    »Leider nein, Mr. Cotton. Ich habe auch niemanden gesehen. Der Diener begleitete uns zum Ausgang, und Charlot erzählte mir ununterbrochen, wie glücklich sie jetzt sei.«
    Ich warf einen mißtrauischen Blick auf das Mädchen, das seine Wanderungen im Zimmer wieder aufgenommen hatte, den Kasten dabei krampfhaft an die Brust gedrückt.
    »Ich finde, wir sollten nach einem Arzt schicken«, sagte ich. »Sie gefällt mir nicht.«
    »Ich werde ihr gleich ein Schlafpulver geben«, erwiderte Ann. »Wir werden morgen weitersehen.«
    »Den Kasten brauche ich heute noch. Hören Sie, ich werde draußen warten, und Sie bringen mir das Ding, sobald sie eingeschlafen ist.«
    Ann Thomper zögerte. »Ich tu’s nicht gern, aber schön, einverstanden.«
    Sie begleitete mich zur Tür.
    »Ich wollte, ich könnte diesen Klub ausheben«, schimpfte ich auf dem Weg durch die Halle, »aber es gibt kein Gesetz gegen Spiritismus und ähnlichen Unsinn, dabei finde ich es verbrecherisch im höchsten Maße, ein ohnedies leicht hysterisches Mädchen so verrückt zu machen, daß sie in jedem Gesäusel die Stimme ihrer Mutter erkennt.«
    Wir hatten die Tür erreicht, und
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