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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Tisches jene unwirklich-wirkliche Erscheinung, die ich nun schon kannte.
    Der Zeremonienmeister forderte zu Fragen auf. Die Fragen wurden gestellt, die geisterhaft-ferne Stimme antwortete kurz, es war alles der gleiche Humbug.
    Plötzlich, mitten in der Beantwortung einer dieser verrückten Fragen, veränderte die Erscheinung auf dem Tisch die Gestalt, nicht viel, aber doch so, daß man erkennen konnte, daß es sich um ein anderes Wesen handelte. Auch die Stimme brach ab, setzte dann in einem anderen Tonfall fort. Von weit her und doch deutlich rief sie einen Namen: »Charlot! Charlot! Charlot!«
    Ich beugte mich vor und sah Charlot Canzer senkrecht von ihrem Stuhl hochfahren. Ihre Hühnchenstimme kippte über: »Mutter!« gellte sie.
    Die Erscheinung verschwand wie eine von einem nassen Schwamm ausgewischte Schrift.
    »Der Kreis ist durchbrochen!« drang ruhig die Stimme des Weißen durch den fast dunklen Raum.
    »Ich will Mutter sprechen!« schrie die Canzer-Tochter hysterisch und sehr nahe am Schluchzen.
    »Die Schwester möge sich setzen!« sagte der ›Weiße‹ feierlich. »Sie möge den Kreis wieder schließen. Wir werden versuchen, die Erscheinung neu zu rufen.«
    Gehorsam sank Charlot auf ihren Platz zurück. Der Mann neben ihr faßte ihre Hand.
    »Glaubt!« dröhnte feierlich der Weiße. »Hofft!«
    Sie begannen zu murmeln, und der Gong ertönte von fern und sehr leise. Ich gestehe, mir rann ein Schauer den Rücken hinab. Die Regie, wenn es Regie war, war so teuflisch geschickt, daß es auch einem nüchternen Mann wie mir nicht leichtfiel, wach und aufmerksam zu bleiben.
    Diesmal kam die Stimme vor der Erscheinung. In das Summen des Gongs hinein seufzte es leise: »Charlot! Charlot! Charlot!«
    Miss Canzer antwortete. Ihre Stimme schwankte wie ein Pappel im Sturm, und die Worte drangen kaum verständlich aus ihrem Mund.
    »Ja… ja… ich höre, Mutter!«
    Der Gong erstarb. Das geisterhafte Etwas wehte über die Tischmitte, und es sah aus, als bewegte es sich auf Charlot Canzer zu, als neigte es sich zu der Stelle, wo sie saß.
    Es war so still im Raum, daß man das leise Knistern der wenigen brennenden Kerzen hörte, und durch dieses Knistern hauchte es leise und wie verweht: »Ich… sehe… dich, Tochter… Oh, es geht mir gut… Ich bin glücklich, sehr glücklich… Komm bald!«
    Ich biß die Zähne aufeinander. »Komm bald«, waren die letzten Worte. Ein dröhnender Gongschlag! Aus! Der ›Weiße‹ erhob sich und ging. Kurz darauf wurden einige Kerzen mehr angezündet. Scharrend schoben sich die Stühle zurück. Man rüstete sich zum Aufbruch. Diener mit schwarzen Kapuzen sorgten für Einhaltung der Regel, daß sich die Gäste nur einzeln entfernten.
    Ich sah, daß Ann Thomper Charlot stützen mußte. Sie waren die einzigen, denen man ein gemeinsames Fortgehen gestattete.
    Ich hatte es ziemlich eilig, den Laden zu verlassen, und drängelte mich nach vorn, um einer der ersten zu sein. Ich warf meine Zwanzig-Dollar-Note in den Sammelkasten, und ich atmete tief auf, als ich in der frischen Nachtluft stand. Der große Saal in der Mitte des Ypsilonbaus war nicht nur muffig und stickig von Staub und dumpfer Luft, sondern auch von Aberglauben und Hysterie.
    Ich war mit einem unauffälligen schwarzen Mercury gekommen. Ich klemmte mich hinter das Steuer, fuhr einmal um den Häuserblock und parkte dann wieder so in der einhundertzweiunddreißigsten Straße, daß ich den Eingang zum Klubhaus im Augen behalten konnte.
    Mitglied um Mitglied kam heraus. Ich spähte nach den beiden Mädchen. Sie hatten den Saal durch den Frauenausgang noch vor mir verlassen, aber sie mußten sich noch im Gebäude befinden, denn Ann Thompers Wagen, ein himmelblauer Thunderbird-Zweisitzer, mit dem sie hergefahren waren, stand noch am Straßenrand.
    Schon war seit zehn Minuten niemand mehr erschienen, und ich begann mir ernsthaft Sorgen zu machen. Der Thunderbird und mein Mercury waren die einzigen Wagen in der Straße. Endlich tauchten die beiden Mädchen auf. Charlot Canzer ging jetzt aufrecht und hatte sich nur leicht bei Ann eingehängt.
    Ich hielt es nicht für richtig, sie hier anzusprechen, sondern ließ sie einsteigen und abfahren. Ich gab ihnen sogar einen gewissen Vorsprung, bevor ich selber startete, denn ich wußte, wohin sie fahren würden. Ann hatte mir gesagt, daß sie nach dem Theater ihre Freundin in deren Wohnung bringen würde.
    Richtig fand ich den blauen Thunderbird vor dem Canzerschen Haus wieder.
    Die Zofe
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