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Das Rätsel der Templer - Roman

Titel: Das Rätsel der Templer - Roman
Autoren: Aufbau
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    |7| Prolog
    »Die Jünger fragten Jesus:
    ›Wann wird die Ruhe der Toten eintreten,
    und wann wird die neue Welt kommen?‹
    Jesus antwortete:
    ›Die Ruhe, die ihr erwartet, ist schon gekommen,
    aber ihr erkennt sie nicht.‹«
    (Thomasevangelium 51)
     
    Samstag, 28. Oktober 1307 – Chinon
     
    Der Wind fegte in einer solch erbarmungslosen Strenge über die Festungsmauern von Chinon, als ob er das unbezwingbare Gemäuer
     mit Gewalt seiner leidvollen Bestimmung entreißen wollte. Währenddessen schoben sich riesige Wolkenberge über das Hochplateau,
     die mit ihrer einhergehenden Düsternis den Mittag zum Abend verurteilten und deren herabstürzende Wassermassen verlässliche
     Straßen in tückische Sumpfpfade verwandelten. Blitze zuckten, trotz der kühlen Witterung, und das darauf folgende ohrenbetäubende
     Donnergrollen bewirkte, dass sich nur draußen aufhielt, wer dazu verdammt worden war.
    Heute war der Tag des Heiligen Simon und des Heiligen Judas Thaddäus. Einst waren sie zu Märtyrern geworden, nachdem sie den
     Zauberern des Königs Xerxes deren Unfähigkeit vor Augen geführt und diese aus Rache einen Aufstand der Priester entfacht hatten,
     die Simon und Judas Thaddäus gefangen nahmen und – da waren sich die Schreiber nicht einig – sie enthaupten oder zersägen
     ließen. Bald darauf hatte ein gewaltiges Unwetter Priester und Zauberer erschlagen und den König und sein Volk in Angst und
     Schrecken versetzt.
    Allem Anschein nach wollte der 28. Oktober 1307 seinen Namensgebern die Ehre erweisen – zumindest was das Wetter betraf –,
     und auch die Märtyrer schienen nicht weit.
     
    Ein Napf mit dünnem Gerstenbrei und eine Scheibe verschimmeltes Brot kennzeichneten für Henri d’Our, Komtur der Templerniederlassung |8| von Bar-sur-Aube den Beginn eines weiteren Morgens in der Hölle.
    An manchen Tagen ging es in den weit verzweigten Kalksteinkatakomben der Festung Chinon zu wie auf einem Viehmarkt. Gefühllose
     Folterknechte trieben mit Peitschen und Knüppeln ganze Heerscharen von gepeinigten Kreaturen durch ein Labyrinth von Gängen,
     in der Absicht, die Widerstandsfähigsten herauszusieben, nur um ihnen danach noch ein wenig heftiger zusetzen zu können. Heute
     jedoch war es nach der Verteilung der Essensration geradezu unheimlich still gewesen, und nur ein fernes Donnergrollen ließ
     weiteres Unheil befürchten.
    Der eindringliche Schrei einer Frau, der diese Stille zerriss wie ein morsches Leichentuch, bestätigte Henri d’Ours finsterste
     Ahnungen. Zurückgezogen hockte er im hintersten Winkel seiner Zelle. Der ehemals weiße Habit ließ die ursprüngliche Farbe
     nur noch erahnen, und der teilweise zerfetzte Stoff schützte seinen ausgemergelten Körper nur unzureichend vor schamlosen
     Blicken. Das verfilzte, silberne Haupthaar und der noch bis vor kurzem gepflegte, würdevolle Bart waren mit Blut und Dreck
     verschmiert.
    D’Ours Kiefer schmerzte so fürchterlich, dass er seinen Mund kaum zu öffnen vermochte, und mit seinen geschwollenen Augenlidern
     kostete es ihn einige Mühe, zu erkennen, was um ihn herum geschah. Arme und Beine, übersät mit blauen Flecken und kleinen,
     schmerzhaften Brandmalen, konnte er nur noch mit äußerster Kraftanstrengung bewegen.
    Bislang hatte er sämtlichen Folterungen erbittert Widerstand geleistet, indem er scheinbar über den Schmerz hinausgegangen
     war und seinen Geist ermächtigt hatte, den Körper zu verlassen, um den unerträglichen Qualen mit Gleichmut begegnen zu können.
     Und doch ergriff Zug um Zug eine jämmerliche Angst von seiner Seele Besitz. Was wäre, wenn König Philipp IV. von Franzien
     und Guillaume de Nogaret, seines Zeichens Großsiegelbewahrer und Oberhaupt der königlichen Geheimpolizei, der sogenannten
     Gens du Roi, herausfinden würden, dass Henri d’Our tatsächlich zu den Eingeweihten des Templerordens gehörte und sich trotz
     seines bescheidenen Postens ab und an mit dem Großmeister oder dessen Vertreter in Franzien getroffen hatte? Vielleicht hatten
     die Gens du Roi, deren grauenhafte Folter jedem anständigen |9| Menschen das Blut in den Adern gefrieren ließen, Spione in die wirtschaftlich unbedeutende Templerniederlassung im Osten der
     Champagne eingeschleust, die dem Königshof in Paris regelmäßig Bericht erstatteten?
    Ein Folterknecht, hässlich wie der Teufel, kam herbeigeschlurft. Mit einem blöden Grinsen zückte er seinen schweren Schlüsselbund
     und öffnete das monströse
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