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0012 - Der Dämonenknecht

0012 - Der Dämonenknecht

Titel: 0012 - Der Dämonenknecht
Autoren: Kurt Maurer
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mit dem Skelett an der Wand und die Worte des jungen Mädchens von den verschwundenen Dorfbewohnern. Merkwürdig war das alles. Aber diese verschwundenen Menschen, das war es, was Georges vor allem anderen beschäftigte. Es war doch lächerlich, daß im zwanzigsten Jahrhundert sämtliche Einwohner eines Ortes sich einfach in Luft auflösten.
    Discoud setzte sich auf und starrte ins Dunkel. Könnte wirklich niemand etwas tun, um dieses Geheimnis zu lüften?
    Zamorra, schoß es ihm plötzlich durch den Kopf.
    Ja, Professor Zamorra wäre der Mann, der diesen phantastischen, unwirklichen und ungeheuerlichen Dingen auf die Spur kommen könnte.
    Nachdem Georges Discoud sich fest vorgenommen hatte, schon am nächsten Tag nach Frankreich zu reisen, Zamorra auf Château de Montagne aufzusuchen und ihm seine Erlebnisse zu schildern, legte er sich aufseufzend zurück.
    Noch lange lag er grübelnd wach. Erst nach Stunden fiel er in einen unruhigen Schlaf, in dem ihn wilde, bedrückende Träume quälten.
    ***
    Zu Felipe und Dr. Amondo hatte sich die Wirtin gesellt, eine dicke Frau mit schweren Brüsten. Sie trug einen Morgenrock über ihrem Nachthemd. Ihre Füße steckten in Pantoffeln, und das Haar umrahmte wirr ihr erregtes Gesicht.
    Der Mann im Bett war, nachdem er sich mit einem leeren Blick umgesehen hatte, wieder in Bewußtlosigkeit gefallen.
    War es wirklich Manuel? Felipes Bruder Manuel, der wie so viele aus diesem verdammten Dorf spurlos verschwunden war? Noch nie hatte man einen der Verschwundenen wiedergesehen, aber wenn dieses zerschlagene Bündel Mensch wirklich Manuel war…?
    Die Frau starrte mit flackernden Augen auf das zerschundene Gesicht, aus dessen Mund jetzt ein tiefes Stöhnen drang.
    Felipe spritzte etwas Wasser in das Gesicht des Liegenden.
    Das Wasser verfehlte seine Wirkung nicht. Manuel Ortez kam langsam wieder zu sich. Aus den dunklen Nebeln vor seinen blutunterlaufenen, geschwollenen Augen trat langsam die Umwelt hervor. Er sah drei besorgte Gesichter auf sich gerichtet. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich zurechtfand.
    Er erkannte das Gesicht seines Bruders Felipe.
    Eine wundersame Ruhe überkam Manuel Ortez.
    »Felipe.« Der schmale Mund mit den aufgeschlagenen, geschwollenen Lippen verzog sich zu einem zaghaften Lächeln.
    Der Wirt ließ sich auf den Bettrand fallen und brach in ein Schluchzen aus. Die Tränen sickerten durch seine vor die Augen gehaltenen Finger.
    Der Anblick des robusten, schweren Mannes, der wie ein kleines Mädchen weinte, ging Dr. Amondo zu Herzen.
    »Mein Bruder«, formten Manuels Lippen mühsam.
    »Señor Ortez, beruhigen Sie sich!« Der Arzt packte den Wirt an den Schultern und schüttelte ihn.
    Auch die Augen der dicken Wirtin schwammen in Tränen. Der einzige, der lächelte, war das armselige Bündel Mensch im Bett. Um so überraschender kam der Umschwung.
    Plötzlich zuckte der geschundene Körper zusammen. Seine hervorquellenden Augen starrten auf die kahle Wand hinter Dr. Amondo, als würde von dort aus jemand auf ihn zukommen.
    »Was ist, Manuel? Was hast du?« fragte der Wirt erschrocken.
    Manuels geschwollene Lippen bewegten sich. »Er ist da«, flüsterte er tonlos.
    Keiner der drei um das Bett versammelten Menschen konnte die Zwiesprache verstehen, die nun einsetzte, und niemand sah den Gesprächspartner.
    Die kahle Wand vor Manuels Augen war zu einem verschwommenen Nebel geworden, aus dem sich eine dunkle, in eine Mönchskutte gehüllte Gestalt löste. Schwebend, ohne daß die Füße den Boden berührten, kam sie auf ihn zu.
    Manuels Blick war starr auf die Gestalt gerichtet. Er krallte seine Finger in das Laken des Bettes. »Ich habe es ja gewußt«, flüsterte er leise.
    »Du bist nicht überrascht, du hast gewußt, daß ich kommen würde, um dich zurückzuholen.« Die dunkle Kapuze klaffte auseinander, und Manuel sah, daß die lautlosen Worte aus dem knöchernen Mund eines Totenschädels drangen.
    Das Wirtsehepaar und der Doktor starrten verständnislos und entsetzt in das Gesicht mit den flackernden, hervorgetretenen Augen des Kranken.
    »Nein, nein«, brachte Manuel Ortez zwischen den klappernden Zähnen hervor.
    Eine knochige Hand fuhr wie ein Speer aus dem weiten Ärmel der Kutte hervor. »Du wirst mich begleiten, du kannst nicht anders.«
    Manuel Ortez schloß unendlich langsam die Augen. Er war an jenem Punkt angekommen, wo der schwach glimmende Funken des seelischen Widerstandes erlischt und einer völligen Apathie Platz macht. Wie ein fernes
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