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0012 - Der Dämonenknecht

0012 - Der Dämonenknecht

Titel: 0012 - Der Dämonenknecht
Autoren: Kurt Maurer
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sind. Der Name des Dorfes kam zweimal, dreimal in dem Lied vor. Santillana del Már.
    Im letzten Teil des Liedes legte die Sängerin ihre brennenden Sorgen der Madonna zu Füßen. Sie kniete sich in einer andächtigen Haltung nieder.
    Zamorra kam es vor, als wenn die Sängerin ihn unentwegt mit einem fragenden, hilfesuchenden Blick anschaute.
    Trotz der völlig andersgearteten Atmosphäre der Bar wirkte der leise, vom Orgelspiel untermalte Gesang. Alle Menschen, die hierhergekommen waren, um sich zu vergnügen, glaubten sich beim Anblick der Knienden in eine Kirche versetzt.
    Verhaltener Beifall brach aus, als das Lied zu Ende war. Zamorra war so befangen, daß er keine Hand rührte. Er merkte nicht, wie der Garcon laut mit den Bestecken zu klappern begann.
    »Glauben Sie nicht, daß die Vorstellung etwas unpassend war, in dieser Umgebung?« bemerkte Nicole etwas zu laut.
    Sofort wandten sich einige Köpfe ihrem Tisch zu. Auch die Sängerin blickte herüber. Es waren nur Sekunden, in denen sie Zamorra ansah. Unwillkürlich zuckte Zamorra zusammen. Die Augen der Frau redeten eine deutliche Sprache, sie flehten um Hilfe.
    Als sich die Frau nun verneigte, war Zamorra verblüfft. Sie hob die Hand, als wäre nichts gewesen. »Was ich nun vortrage, ist ein französisches Lied.«
    Als erneutes Händeklatschen einfiel, winkte die Sängerin lächelnd ab und sang mit ihrer weichen, verwirrenden Stimme, die alle in ihren Bann schlug. Nachdem sie geendet hatte, verneigte sie sich, und noch während der Beifall erklang, stand sie plötzlich vor Zamorra und Nicole Duval. »Bon soir, Madame, Bon soir, Monsieur.«
    Zamorra schnellte hoch, »Madame!«
    »Ich hätte Sie gern einmal gesprochen, Monsieur.«
    »Sie kennen mich? Bitte, nehmen Sie Platz.« Zamorra bot der Frau automatisch einen Stuhl an. Der Garcon hatte einen Sessel herübergeschoben. Mit einem Kopfnicken dankte die Sängerin, dann setzte sie sich.
    »Ich wußte, daß ich Sie treffen würde, Professor Zamorra«, klang ihre dunkle, eindrucksvolle Stimme.
    »Sie wollen damit doch nicht sagen, Sie hätten mit unserem Erscheinen in diesem Lokal gerechnet?«, stieß Zamorra hervor.
    »Allerdings nicht. Aber ich habe es gewünscht, ganz intensiv gewünscht. Sie wissen ja selber am besten, daß es Verbindungen zwischen Menschen gibt, die sich rational nicht erklären lassen.«
    »Sie geben mir allerlei Rätsel auf, Madame«, entgegnete Zamorra.
    Aus den Augenwinkeln sah er, daß Nicole, die Lippen spöttisch geschürzt, aufmerksam die Sängerin musterte.
    »Die Rätsel sind so groß, daß Sie es sich gar nicht vorstellen können«, murmelte die Sängerin tonlos.
    ***
    In dem Gasthof in Puento San Michel hatte man Hochzeit gefeiert.
    Das große Gesellschaftszimmer sah aus wie nach einer Saalschlacht zur Zeit des Bürgerkrieges. Auf dem grauen Linoleum glänzten Lachen von Wein und Schnaps. Weinflecke zierten auch die getünchten hellen Wände. Zerfetzt schleifte die große Fenstergardine auf dem schmutzigen Boden, der runde Tisch davor streckte alle viere in die Luft. In der Ecke bildete eine zerbrochene Stehlampe zusammen mit leeren Weinflaschen ein seltsames Stilleben.
    Widerlicher Mief von Rauch, Fusel und Schweiß schwängerte den Raum.
    Felipe Ortez, der Wirt und Vater der Braut, verabschiedete die letzten Gäste, die singend und vor sich hin lallend durch die Gasthaustür in die Nacht hineinschwankten.
    Die borstigen Haare hingen Felipe wirr in das Gesicht. Der nicht mehr ganz saubere Hemdkragen klebte zerknittert an seinem Hals.
    Der dunkle Anzug war mit Flecken übersät.
    »Moment, Moment, Compadre, noch einen Schluck.« Er zog eine halbvolle Schnapsflasche aus der Hosentasche.
    »Nein, nein, Sie wissen ja, daß ich nichts vertrage«, wisperte Dr. Amondo, der als letzter Gast gerade den Raum verlassen wollte.
    Dr. Amondo war ein hoch aufgeschossener junger Mann mit asketischen Gesichtszügen. Er hatte seine kleine Praxis in Puento San Michel, behandelte aber fast alle Bewohner der umliegenden Dörfer.
    Dr. Amondo machte sich aus solchen Feiern nichts und war zu dieser Hochzeit nur erschienen, weil er zu Felipes jüngster Tochter Isabell ein besonders herzliches Verhältnis hatte.
    »Na ja, Doktor, ich sage immer, Schnaps ist bloß was für Erwachsene. Aber einen müssen Sie noch mit mir auf die Lampe gießen, damit der Docht nicht trocken wird«, lallte Felipe.
    Der schmächtige Doktor zögerte.
    »Keine Widerrede, Compadre.« Der Wirt drückte ihn schon auf einen Stuhl.
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