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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender
Autoren: Britta Schröder
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Essen in die Schalen gab.
    Der Wein schmeckte beim ersten Schluck ein wenig zu süß, dann aber ausgezeichnet.
    Sie setzte sich zu uns und erzählte, der Bruder ihres verstorbenen Mannes arbeite als Winzer im Cachapoal-Tal und gebe seinem Sohn Javier, unserem Taxifahrer, bei jedem seiner Besuche Wein für sie mit. Dann fragte sie uns nach dem Grund unserer Reise.
     
    Robert berichtete ihr von seinem Vorhaben und von seiner Forschung.
    »Wissenschaftler!«, bemerkte sie anerkennend.
    »Und Sie? Forschen Sie auch? Oder was werden Sie in der Zwischenzeit tun?«
    »Wir sind kein Paar, Rosa«, antwortete ich. »Ich bin hier, weil ich nach etwas suche. Ich möchte in die Atacamawüste reisen und dann weiter bis zur Küste.«
     
    »Was ist es, das Sie suchen?«, fragte Rosa.
    Auch Robert, der mir schon im Flugzeug diese Frage gestellt, aber nur eine ausweichende Antwort erhalten hatte, schaute mich neugierig an.
    »In den letzten Wochen«, erklärte ich, »hat sich so gut wie alles verändert.«
    Meine Scheu ersoff im Wein.
    »Was früher Zweifel war, ist jetzt Gewissheit – und andersherum.«
    »Und nun?«, fragte Robert.
    »Nun gehe ich die Strecke dazwischen ab.«
     
    Beide, Robert und Rosa, schauten vor sich auf den Tisch.
    Rosa nickte, Robert schüttelte den Kopf. Dann wischte er mit einem Ärmel eine kleine Wasserlache vor sich auf, sah mich an und fragte: »Und welche Richtung hast du angepeilt?«
    »Das wird sich erst zeigen«, entgegnete ich.
    Rosa atmete ein, stockte und sagte: »Wenn etwas einmal entzwei ist – ich glaube nicht, dass …« Sie unterbrach sich selbst, sah vom Tisch auf und fragte: »Wird das gehen, mit euch zweien in dem einen Zimmer?«
    Robert antwortete für uns beide: »Ja. Es wird ganz sicher gehen. Danke.«
     
    Rosa führte uns ins obere Stockwerk und öffnete ein Zimmer, an dessen Fensterseite ein breites Doppelbett stand. Daneben, etwas abgerückt: ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Kruzifix an der geweißten Wand und ein vergilbtes Poster, auf dem ein Weingut und zwei Flaschen Carménère abgelichtet waren.
    Sie entschuldigte sich für das flackernde Licht im Badezimmer, legte noch zwei Handtücher auf das niedrige Waschbecken und wünschte, obwohl es draußen allmählich hell wurde, eine gute Nacht.
     
    Ich zog mich im Badezimmer aus, legte meine Kleider zusammen, stieg in den Pyjama und putzte mir die Zähne.
    Im Spiegel verfolgte ich meine Bewegungen. Dass sich mein Gesicht in den letzten Wochen so gar nicht verändert hatte, kam mir verkehrt vor. Eine markantere Nase vielleicht, ein schmalerer Mund, eine andere Stirn, egal was: Es hätte mir eingeleuchtet.
     
    Als ich in unser Zimmer zurückkehrte, war Robert gerade im Begriff, sich ein t -Shirt überzustreifen. Er lächelte mich an – leicht beschämt, was mich beschämte –, weil er bemerkte, dass ich die Mühsamkeit seiner Bewegungen registrierte.
    »Wenn du jetzt Mitleid oder sowas hast, lege ich dir eine von den abartigen Spinnen da oben aufs Kopfkissen.«
    Ich schaute in die Zimmerecken. »Wenn du das machst, werfe ich deinen Laptop aus dem Fenster.«
    »Dann wäre das ja mal geregelt.« Er knipste das Licht aus.
     
    Etwas später, wir lagen reglos nebeneinander, fragte ich ihn: »Wollen wir heute so lange schlafen, wie wir können?«
    »Gute Idee«, gab er zurück. »Aber ich habe auch noch eine Frage an dich. Diese Strecke dazwischen – was soll das eigentlich sein? Ich würde dir gern helfen, sie zu finden.«
    »Hast du schon«, erwiderte ich.
     
    Diesmal nahm er meine Hand in die seine.
     
    Anfangs schlief ich hier draußen ganz unruhig. Die Geräusche waren so fremd. Und ich sah Füchse, überall.
    Gleich in der ersten Nacht habe ich mir ein Zelt aus Ästen und Farn gebaut.
    Inzwischen suche ich es selten auf.
    Ich weiß nicht mehr, wovor es mich beschützen sollte.

5
    Ich wachte davon auf, dass jemand vor dem Haus gegen eine Tonne trat. So jedenfalls hörte es sich an.
    Ich setzte mich auf, drehte mich zum Fenster, schob den Vorhang beiseite und sah in einen schattigen Innenhof, in dem ein kleiner Junge mit einer Fahrradkette auf einen der Mülleimer eindrosch.
    Rosa erschien auf der Bildfläche. Sie hielt dem Kind einen Teller mit Gebäck hin. Der Junge schob sich die Kekse in den Mund und zog ab. Rosa ging zurück ins Haus. Ein paar Minuten später hörte ich ihre Schritte im unteren Flur, dann das Öffnen und Zufallen der Eingangstür.
     
    »Wie spät ist es?«, fragte Robert.
    Ich schaltete mein
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