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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser
Autoren: E. L. Greiff
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Augenwinkel etwas dort vorbeihuschen sehen, eine kleine, helle Gestalt. Aber im Ausschnitt der hohen Türöffnung sah er nur auf das leere Pflaster der Straße und ein gegenüberliegendes Portal   – es war wohl eine Lichtspiegelung in den glänzenden Steinchen gewesen. Dennoch sollten sie die Stadt bald verlassen, die Sonne sank immer tiefer und es erschien Marken, als sänke sie besonders schnell. Die Lichtbündel auf den Steinblöcken wurden zusehends schwächer und die Einfallswinkel veränderten sich: Smirn, die immer noch umherging und las, wurde nun angeleuchtet, während der Block, neben dem sie anhielt, schon zur Hälfte im Dämmer lag. Jetzt hob sie den Kopf, blickte an Marken vorbei nach draußen und machte einen schnellen Schritt zur Seite, um aus dem Licht zu kommen. Was hatte sie gesehen? Er wandte sich um. Nichts, nur eine leere Straße.
    Er zog sein Schwert. Die Leere des Raums verstärkte das metallische Schleifen zu einem kalten, lauten Fauchen. Mit drei, vier schnellen Schritten war Marken draußen auf der Straße.
    Er sah sie hinab und mitten in den riesigen Glutball der Sonne, kniff die Augen zu   – hinter den geschlossenen Lidern leuchtete ein grellgrüner Kreis, rechts und links davon lagen schwarze Klötze, die Nachbilder der Gebäude. Er riss die Augen wieder auf, helle und dunkle Flecken sprangen durch sein Gesichtsfeld,aber sonst war da nichts. Marken spähte in die andere Richtung, sah den Beginn der Straße und dahinter das Portal, durch das sie die Totenstadt betreten hatten. Rührte sich da etwas? Ja, da! Da war eine Bewegung, da war etwas vom rötlich angestrahlten Pflaster in den Schatten zwischen zwei Häuser gelaufen   – zu schnell, als dass er hätte erkennen können, was es war.
    »Smirn!« Marken rief über die Schulter, hielt die Straße im Blick. Die Unda antwortete nicht. Sollte sie morgen weiterlesen! Es war sicher wichtig, was Smirn da tat, aber Markens Angst ließ seinen Herzschlag immer schneller werden und schien ihm nur einen Gedanken einhämmern zu wollen: Sie mussten diesen Ort verlassen, bevor es vollends dunkel wurde.
    »Smirn, wir gehen!«
    Ein Geräusch. Leise und nah. Aus der schmalen Gasse zwischen diesem und dem benachbarten Gebäude. Wie ein Trippeln kleiner … Hufe.
    Rückwärts, die Augen nicht von der Straße lassend, ging Marken ins Totenhaus zurück.
    »Smirn, ich bitte dich! Lass uns gehen, sofort.«
    Auf Markens Stimme legte sich ein Hall und machte sie fremd. Die Unda stand gebeugt über einem Steinsarg in der entfernten Ecke des Raums. Die Lichtstrahlen waren nur noch eine Ahnung.
    »Ich bin gleich so weit«, sagte sie, las aber weiter.
    »Da draußen ist etwas«, sagte Marken und schaute zur Tür.Das blankgezogene Schwert in seiner Faust war wie ein scharfer Vorwurf gegen Smirns Zögern. Inschriften auf alten Gräbern, zischte Markens Angst ihm zu, sind doch vollkommen bedeutungslos!
    »Es wird zu dunkel.« Marken bemühte sich um einen sachlichen Ton und ging ein paar Schritte auf die Unda zu. »Wir können morgen früh wiederkommen, dann kannst du weiterlesen.«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte sie, ohne aufzusehen. Smirn fuhr mit den Händen über den Stein; sie las mit den Fingerspitzen die eingravierten Zeichen, denn das Licht im Innern der Totenhalle war zu schwach geworden. »Ich bin beinahe fertig.«
    Es kam Marken wie eine Ewigkeit vor. Die dunklen Finger der Unda tasteten wie langsam krabbelnde Käfer über den hellen Steinblock. Wieder hörte er das Trippeln, leise. Er hielt den Atem an, stand ganz still. Waren das wirklich Hufschläge? Oder kurze, schnelle Schritte von … jemandem in Holzschuhen? Was auch immer es war, es näherte sich dem Eingang, vorsichtig. Marken holte Luft. Das da draußen war nicht groß, das konnte er hören. Das konnte er spüren. Es beunruhigte ihn dennoch zutiefst. Das Ding sollte sich endlich zeigen. Marken starrte zu dem Portal. Auch draußen war es merklich dunkler geworden. Das Getrippel hörte auf, Marken umfasste den Schwertgriff mit beiden Händen, es setzte wieder ein. Vervielfältigte sich.
    Das da draußen war nicht allein.
    »Ich hätte uns das gerne erspart.« Marken fuhr herum, Smirn stand ein paar Schritte hinter ihm. Die Narben auf ihrem Schädel glommen hell und das bedeutete in der Regel nichts Gutes. »Wir müssen nun ein paar … Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Aber ich musste genau lesen, ich wollte sichergehen, dass meine Vermutungen richtig sind.« Ihre raue Stimme war
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