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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
Autoren: Franz Seinsche
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Heiligkreuz ging nun vorerst taleinwärts und stieg langsam an. Am frühen Nachmittag waren die zwölf Buben am Talende in Ückersdorf . Was dahinter lag, das wußte keiner der »Verstoßenen«, weiter waren sie bisher in ihrem Leben nicht gekommen.
    In Ückersdorf hatten sie festgestellt, daß sie der Prozession bereits auf zwei Stunden nachgerückt seien, das gab frohen Mut. Hinter dem Dorf stieg der Weg steil an, in großen Kehren lief er den Berg hinauf, denn das Tal war nun zu Ende. Die zwölf »Verstoßenen« vergossen viel Schweiß, und dem armen Karo hing die Zunge zum Halse heraus. Aber nach einer guten Stunde war die Höhe erreicht. Hoh ! da oben wehte ein frischer Wind, der fuhr den Buben ins Haar und unters Hemd, und weit ging der Blick in neues Land, das sie alle noch nie gesehen hatten. Da waren tiefe Täler, da standen weit gedehnte Höhenzüge dunkelblau vor dem hellen Oktoberhimmel. Da legten sich helle Wege durch die Wiesen und liefen in die Wälder und zu den Dörfern unten im Tale. » Menschenskinder «, schrie Herbert auf einmal hell auf, »da unten gehen sie ja !« und wies mit der Rechten ins Tal hinab.
    Richtig, tief unten im Tal kroch eine dunkle Menschenschlange auf der hellen Landstraße. Das waren die Obermauelsbacher Wallfahrer. Die Buben konnten sogar die wehenden Fahnen sehen. »Herrlich, herrlich«, riefen die Zwölf, nun hatten sie alle Mühen vergessen. Und jetzt erinnerten sich auch die Buben wieder, daß sie beten wollten unterwegs. Das Kreuz wurde vom Wagen gehoben, der rote Philipp mußte es tragen, nun hüben auch die Buben richtig zu wallfahren an. Nur Herbert nicht, der wurde vorausgeschickt, damit er die anderen da unten im Auge behalte. Die »Verstoßenen« wollten sie nicht noch einmal verlieren. Mit mächtigem Beten und kräftigem Lied stiegen sie ins Tal hinab. Staunend ließen sie immer wieder die Augen rundum gehen: Hier war alles so neu, hier schienen die Bäume anders zu sein als drüben auf der Seite. Hier war die Luft viel heller. Alle Wälder voller Geheimnisse, alle Wiesen viel tiefer grün, ein neues Land.
    In einer Stunde kriegten sie drei Rosenkränze fertig, mit Liedern dazwischen. Als Willem nun aber auch noch mit einer Litanei anfangen wollte, meinte Müllers Ludwig, fürs erste wäre es mal genug.
    Sie mußten doch nun einmal über das Neue, noch nie Gesehene schwätzen. Sie taten es so gründlich, daß ihnen die Zeit wie im Fluge verging. Ehe sie sich versahen, waren sie unten im Tal, in Wiesenfeld. Es war ein reiches Dorf, wie der Lehrer sagte. Aber bisher hatte es sie nicht interessiert. Jetzt lag es vor ihnen, und sie staunten es an. Fast wurde es ihnen etwas bange, als sie ihre Schritte hineinsetzten, aber alle Köter des Dorfes empfingen sie mit Gebell, und das war daheim genau so. Auch in der Fremde gab es doch immer ein Stückchen Heimat.

    Unterdessen war es Spätnachmittag geworden, und langsam merkten die Buben, wie müde sie waren. Hinterm Dorf lag wieder die Landstraße vor ihnen, und sie bog und schlängelte sich in großen und in engen Kurven weiter das Tal hinab. Wie weit mochte es noch gehen? Willem hoffte, daß Herbert bald irgendwo am Wegrand sitzen werde mit der Botschaft: »Im nächsten Dorf, da machen sie Rast .« Aber kein Herbert kam. Dafür wurden die Schatten langsam immer länger, und hinter einer neuen Talkehre schob sich der Wald von beiden Seiten dicht an die Straße heran. Unter den Tannen war schon tiefe Dämmerung. Die Schritte der Elfe wurden schleppender, der dicke Emil hinkte schon ein gut Stück hintendrein, aber der kleine Theo hielt sich wacker. »Ob wir bald da sind ?« , meinte Müllers Ludwig nach einiger Zeit, und wie zur Entschuldigung fügte er hinzu: »Unser Karo ist arg müde!«
    »Ich denk, wir haben es bald«, antwortete Willem, »wir wollen uns tüchtig zusammenreißen, jeden Augenblick muß Herbert auftauchen, und dann sind wir weit genug .«

Die erste Nacht auf Wallfahrt

    Aber es sollte noch eine ganze Stunde vergehen, ehe Herbert kam. Als sie ihn endlich sahen, da war es schon fast dunkel. Müde und stumm sahen sie Herbert an.
    Herbert aber hatte gute Arbeit getan. Er erzählte, in wenigen Minuten komme ein Wirtshaus, da sei der Wald zu Ende, und zehn Minuten weiter käme schon das Dorf, in dem die Wallfahrer Quartier hätten. »Und wo bleiben wir !« fragte der dicke Emil, der nun auch angehinkt kam.
    »Da im Gasthof gleich«, antwortete Herbert, »ich habe einen Schuppen für uns bekommen! Willem,
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