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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
Autoren: Franz Seinsche
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Huldigung. Ja, dachte der arme Pastor, das kann ja gut werden! Tatsächlich, unter dem Triumphbogen stand das ganze Dorf versammelt, natürlich mit weißen Mädchen, Herrschaft, und die Trompeten hatten sie auch dabei. »So ein Unfug !« seufzte der Pfarrer von Obermauelsbach.
    Die »Verstoßenen« aber reckten die Hälse. Die ganze Prozession hatte bemerkt, daß da im Dorfe etwas besonderes los war. Es war in Obermauelsbach nicht üblich, heimkehrende Wallfahrten mit solchem Gepränge zu empfangen. Also... ob es wegen der drei Lebensretter war? Mariechen Knisterpott seufzte schon: »O, die tapferen Jungen, sie haben es verdient .« Den »Verstoßenen« schlug das Herz in den Hals. So war’s recht: Ehre, wem Ehre gebührt. Im Nu hatten sie sich wie die Wiesel, still und gewandt nach vorne geschlängelt, an die Spitze der Prozession. Alles Brummen der Brudermeister war da umsonst. Jetzt begannen auch schon die Glocken zu läuten. »Wunderbar, wunderbar !« seufzte der dicke Emil und reckte sich.
    Man war am Triumphbogen angekommen. Hilf, Himmel, da standen der Herr Ortsvorsteher und Herr Lehrer Otto, im schwarzen Kirmesrock, sogar mit dem Zylinderhut auf dem Kopfe, dem Pastor wurde es regelrecht schwindelig. Aber die »Verstoßenen« trabten ruhig auf die beiden los, als wenn das alles ganz selbstverständlich wäre. Nun konnte es losgehen! Im gleichen Augenblick trat denn auch Herr Lehrer Otto vor und sprach also:
    »Liebe Obermauelsbacher , und insbesondere ihr, meine heben Wallfahrer! Indessen ihr mit frommem Gebet und herzlichem Gesang zum Gnadenort Heiligkreuz gepilgert seid, dort des Dorfes Nöte und Anliegen Gott, dem Herrn, zu empfehlen, haben wir, die wir daheimgeblieben sind, aus Zufall, ja ganz aus Zufall eine schöne Entdeckung gemacht. Aus alten Büchern und Protokollen haben wir zusammenrechnen können, daß diese eure Wallfahrt im Jahre 1923 ausgerechnet die hundertste Wallfahrt ist, die das Dorf Obermauelsbach nach Heiligkreuz unternommen hat. Ihr habt das nicht gewußt, und wir wissen es auch erst seit zwei Tagen. Aber wir haben uns gesagt: Weil ein solch seltenes Jubiläum eben doch nur einmal kommt, deshalb soll es denn auch gefeiert werden zu eurer Freude und zur Erbauung und Ermunterung für das ganze Dorf. Deshalb die Fahnen, deshalb dieser Ehrenbogen, deshalb auch das frohe Glockenläuten. Herzlich willkommen daheim, ihr Lieben!«

    Oha! Wo war ein Loch im noch sonnen warmen Asphalt der Chaussee, in dem die »Verstoßenen« sich verkriechen konnten! War das ein Hereinfall! Nun standen sie alle zwölf vorne in der ersten Reihe, Karo, der Köter, auch zum Überfluß dabei, und keiner sah sie an! Sie durften sich ja zu allerletzt diesen feierlichen Empfang zur Ehre rechnen, sie waren ja nur hinterhergepilgert. Ach, sie hatten alle zwölf blutrote Köpfe, indes das ganze Dorf mit lächelnder Schadenfreude sich an ihrem Reinfall weidete.
    Auch der Herr Pastor war recht zufrieden und schmunzelte in sich hinein: »Gottlob, die sind geheilt !« Und dann sagte er ganz laut: »Habt Dank, Herr Lehrer, und ihr Obermauelsbacher alle, für diesen schönen Empfang! Das ist wirklich eine Überraschung, die ihr uns da bereitet habt. Von einem solchen Jubiläum hat tatsächlich niemand was gewußt. Aber nun laßt uns dem Herrgott die Ehre geben, weil unter seinem Segen auch diese Jubiläumswallfahrt zu so gutem Ende kam für uns alle, selbst für die Zwölf. Auf zum Gotteshaus!«
    Und mit Getöse setzte nun die Dorfmusik ein. Feierlich zog die Obermauelsbacher Jubiläumsprozession in die Heimatkirche, wo wiederum die Kerzen am Altare brannten wie sonst zu Weihnachten, und wo mächtig die Orgel brauste, und alles Volk mit tiefem Jubel sang:

    »Großer Gott, wir loben dich,
    Herr, wir preisen deine Stärke !«

    Damit war die Wallfahrt nach Heiligkreuz zu Ende. Unsere »Verstoßenen« hatten ihren Reinfall schnell vergessen. Ehe ein Monat verflossen war, waren auch sie wieder Obermauelsbacher Jungen wie die anderen, ohne etwas Besonderes. Nur wenn sie sich an freien Nachmittagen bei Willem auf dem Mühlenanger trafen, dann erzählten sie bisweilen: »Weißt du noch damals im großen Wald... oder in Oderbach! Denkst du noch an Hintertuxers Florian und seine beiden Ochsen Buff und Bemsel ?« Dann freuten sich alle an dem, was sie erlebt. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Aus den »Verstoßenen« sind tüchtige Männer geworden. Und das ist wahr: Seit 1923 sind sie nun jedes Jahr mit den Obermauelsbachern nach
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