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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
Autoren: Franz Seinsche
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ziemlichem Tempo setzte sich die Bubenwallfahrt in Bewegung. Theo nahm deshalb das Kreuz kurzerhand über die Schulter. Gebrüder Franz und Jupp nahmen sich einstweilen mal des Leiterwagens mit Karo an, und dann stob die Prozession in einem netten, kleinen Dauerlauf den Hang hinab zum »krausen Busch«. Weil es noch ziemlich dunkel war, brauchten die »Verstoßenen« sich nicht nach einem allzu dichten Versteck umzusehen. Karo war die einzige Sorge. »Wenn das Biest bloß nicht bellt«, sagte Ludwig, »meine Mutter ist dabei, und wenn Karo die wittert, dann ist es aus .« — Also wurde Karo wieder aus dem Leiterwagen ausgespannt und vorab von Ludwig in das tiefste Dunkel vom »krausen Busch« transportiert. Die anderen schoben den Wagen hinter einen Haselbusch und hockten sich dann selbst ins Gebüsch. Wenn Jungen warten müssen, dann kommen ihnen fünf Minuten wie eine halbe Stunde vor. Die »Verstoßenen« schwitzten vor Aufregung. Jeden Augenblick mußte die Wallfahrt kommen, aber sie kam und kam nicht. Schon fing es ganz sachte an zu dämmern. Die Messe in der Kirche mußte längst zu Ende sein. Weshalb kam bloß nichts? Willem spähte bisweilen einmal vorsichtig auf die Landstraße hinauf, und einmal kam er dabei schnell zurück. »Sie kommen !« flüsterte er erregt. »Sie kommen, ich höre sie singen !« Aber sie kamen doch nicht.
    »Ich bin schon krumm und steif !« meinte Pitt. Aber da hielt ihm der kleine Theo die Hand vor den Mund. »Hör, hör«, flüsterte er erregt, »ich hör was !« Tatsächlich, da kam etwas, aber das war keine Prozession, das war bloß ein einziger, der da die Straße mit lautem Trab herunter kam. Willem schlich vorsichtig wieder auf seinen Horchposten, kam aber gleich zurück und rief: » Menschenskinder , der dicke Emil !« Da wurde es im Gebüsch lebendig. Alle Vorsicht vergessend, stürmten die »Verstoßenen« auf die Straße. Emil war so hinter Atem, daß er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.’ Er war ja auch so dick, und dabei brachte er noch einen halben Zentner Kartoffeln angeschleppt.
    » Kinders , Kinders !« japste er, als er ein bißchen bei Atem war. »Ich hab mich verschlafen, und wat für’n Glück. Hierher geht’s ja gar nicht nach Heiligkreuz, das geht an der andern Seite am Dorfe hinaus, über Kottenheim und Ückersdorf !«
    »O je, o je !« stöhnte Willem und kraute sich hinter dem Ohr. »Das ist ja großartig, sowas hat uns noch gefehlt«.
    Willem, das Oberhaupt der »Verstoßenen«, war schon bald vierzehn. Ostern kam er aus der Schule, ein heller Kerl war er und ließ sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. »Schmeiß deine Kartoffeln auf den Wagen«, rief er dem dicken Emil zu, »aber vorsichtig, vorn liegen frische Eier !« Dann steckte er zwei Finger in den Mund und pfiff Müllers Ludwig und den Karo herbei. »Spann ihn ein !« schrie er, »und ihr andern, steht doch nicht so döpperig herum! Packt den Wagen an, Herbert und Fritz, und du, Philipp, nimmst das Kreuz von Theo, weil der zu klein ist, das jetzt zu tragen. Und nun geht es aber los! Wir müssen jetzt über Lindenhof und Mohrenbach nach Kottenheim , dann sind wir richtig! So Prozessionen, die gehen ja langsam, ganz langsam gehen die, paßt auf, bis Mittag haben wir die bei !«
    Die übrigen sagten kein Wort. Sie wußten alle: jetzt war’s ernst! Gehorsam spannten sich Herbert und Fritz vor den Wagen, und dann hasteten die Buben querfeldein über schlechte Karrenwege und schmale Wiesenpfade den Berg hinan. Der Lindenhof lag auf der Höhe, und auch Mohrenbach lag überm Tal, aber das half nichts. Obermauelsbach mußte umgangen werden. Das sahen alle ein. Also bissen die zwölf »Verstoßenen« die Zähne zusammen. Sie schwitzten sich trotz der Morgenkühle fast zu Tode, aber keiner schimpfte, daß Willem sich so mit dem Weg vertun konnte; das würden sie erst besorgen, wenn sie wieder richtig waren. Oben auf der Höhe, gleich beim Lindenhof, ließ Willem halten. »Kleine Pause !« sagte er, und als alle sich den Schweiß aus den Gesichtern gerieben und wieder ein wenig bei Atem waren, meinte er: »Na, dann weiter!« Und nun ging’s auf Mohrenbach zu.
    Seit alters her waren die Dörfer Obermauelsbach und Möhrenbach sich spinnefeind. Die Mohrenbacher nannten die aus dem Tal » Dötschköppe «, und die Obermauelsbacher sagten zu denen von oben »Hungerleider«. Und die Jugend aus beiden Dörfern verkloppte sich so ziemlich an allen schulfreien Nachmittagen mit Bohnengerten,
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