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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel
Autoren: Baum Vicki
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Grunde hätte er Bibi nicht ungern zerschlagen und verzweifelt gefunden, denn eine glückliche, über der Situation stehende Bibi war das, was ihm das Leben schon schwer genug gemacht hatte und nicht allzu erwünscht war – und Karbon etwas trübselig.
    »Na – Pitt?« fragte sie ermunternd, stellte sich quer vor ihn hin, und in einem plötzlichen Entschluß, der aber nicht sichtbar wurde, sondern eine leichte und fließende Gebärde blieb, nahm sie seine beiden Hände und legte sie sich auf die kleine, bezaubernde Mulde zwischen Schulter und Brustansatz. Karbons Hände waren zu Hause an diesem zierlich gedrechselten, sanft atmenden Platz, sie erkannten ihn wieder in einem vegetativen Glücksgefühl.
    »Na, Pitt?« wiederholte die Lania und sah eine winzige Bewegung seiner Nasenflügel. Sie wußte genug. Sie löste sich ebenso gleitend aus der Liebkosung, wie sie hineingegangen war. »Ich komme mir so blamiert vor«, sagte sie zu dem eintretenden Geheimrat. »Ich habe solches Trara gemacht, und nun bin ich ganz in Ordnung. Da hat dieses Ekel von Doktor also alles ganz richtig geflickt, scheint mir?«
    »Scheint mir auch«, sagte Raiffeisen gutmütig. »Sie können sich bei ihm bedanken, gnädige Frau, und abreisen.«
    »Abreisen?«
    »Dem steht nichts im Weg. Hier ist es etwas ungemütlich, nicht? Ich würde als Arzt vorschlagen, daß Herr Karbon Sie heute noch einpackt und nach Baden-Baden hinüberbringt.«
    »Karbon kann nicht«, sagte sie rasch.
    »Ach – warum nicht?« sagte Karbon ebenso schnell.
    Die Lania spielte nachdenklich mit der Zungenspitze an ihrer Wunde. »Ich habe mich eigentlich mit Franz Albert besprochen«, sagte sie, aus reinem Vergnügen an der unverschämten Lüge – und dann auch, weil sie in Gedanken tatsächlich mit dieser Vorstellung gespielt hatte.
    »Die Hauptsache ist, daß gnädige Frau bald nach Baden-Baden kommen«, sagte der Geheimrat und empfahl sich. Den Nachsatz behielt er für sich: Welches von den Mannsbildern mitgeht, ist wurscht.
    »Selbstverständlich bringe ich dich nach Baden-Baden«, sagte Mollzahn ziemlich steif. »Ich habe drei Tage Urlaub genommen.«
    »Na – fein«, antwortete die Lania und betrachtete Peter Karbon, der etwas überflüssig daneben stand. »In acht Tagen muß ich doch wieder in Berlin sein. Sehe ich dich dann, Pitt?« fragte sie beiläufig.
    Peter Karbon zuckte die Achseln. ›Herrgott noch mal, jetzt fangen die Komplikationen erst an‹, dachte er, und die Erinnerung an Elisabeth überkam ihn mit großer und sanfter Gewalt. Unten tutete das Auto Abfahrtssignale.
    »Was ist denn mit dir und Karbon?« fragte Herr von Mollzahn oben, bevor sie um die Treppenbiegung kamen, hinter der Karbon schon verschwunden war. »Seid ihr auseinander?«
    Leore blieb stehen, dämmerig aufglühend in dem roten Licht, das durch die Weinranken hereinkam, und begann zu lächeln.
    »Nicht endgültig«, sagte sie langsam. »Nicht endgültig.«
    Keine Ahnung hatte dieser Doktor Persenthein davon, in welche Schwierigkeiten er seine Frau brachte, als er zwanzig Minuten vor eins eine Zelebrität zum Mittagessen einlud. Es war kein Geld im Haus, es waren keine Vorräte im Haus, der Herd rauchte auf eine wahrhaft erbärmliche Weise, und von den letzten vier Kompottellern hatte Marie den einzigen zerschlagen, der keine angestoßenen Ränder zeigte. Elisabeth, die bis zum Mittag in einem Zustand halber Bewußtlosigkeit ihr Tagewerk getan hatte, dumpf erwartend, daß irgendein Anstoß, eine Entscheidung von außen sie zwingen würde, zwingen, hierzubleiben, zwingen, fortzugehen – sie selber wußte nicht, wohin es sie zog –, Elisabeth erwachte bei dem Alarm ihres Mannes auf sehr gründliche Weise. Eine halbe Stunde lang glich das Angermannshaus einem Generalstabsquartier bei einer Offensive, aber dann war es geschafft. Frau Bartels borgte Tischgeschirr, Herr Markus, angerufen in höchster Not und Schamlosigkeit, borgte Geld, fünfzig Mark bares Geld, das Aushilfsmädchen plättete Servietten, Rehle lief um Konserven, lief um grüne Petersilie, lief um Schlagsahne. Schlachter Seyfried schickte Filet, und Putex selber stiftete einige Gläser mit Quitten- und Bergamotteäpfeln zum aparten Nachtisch. Elisabeth kochte, briet, deckte Tisch, heizte den Ofen, garnierte die Salatschüssel, heizte wieder den Ofen, der ausgegangen war, das Rehle trabte zum ›Weißen Schwanen‹ um zwei Flaschen des Raitzoldschen ›Sonnentreppchen‹, Elisabeth wusch ihre Hände mit Bimsstein, zog
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