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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten
Autoren: Edith Kneifl
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Ann-Maries Tauschgeschäfte nicht viel übrig zu haben, er stellt sich auf beiden Ohren taub.
    Alfred hat für den sogenannten Leichenschmaus das Extrazimmer eines sündhaft teuren Innenstadt-Restaurants gemietet. Stilvoll, feudal, standesgemäß. Beim Anblick der gierig in sich hineinstopfenden Trauergäste spielt ihr Magen erneut verrückt. Sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier tatsächlich die Leiche verschmaust wird.
    Anna hat sich etwas Besseres verdient. – So viele Lügen, so viel Scheinheiligkeit …
    Sie haßt es, bei diesen Leuten ausharren zu müssen. Ein starkes Bedürfnis nach Alleinsein überkommt sie. Grau, fast grün im Gesicht springt sie auf, wirft ihren Stuhl um und stürzt aufs Klo, um sich zu übergeben. Sie bricht nur trüben, wäßrigen Schleim.
    Etwas erleichtert schließt sie dann den Klodeckel, setzt sich auf die Toilette und stützt den Kopf auf die Hände. Erinnerungen tauchen auf: Erwartungsvoll und bester Laune schlenderte sie durch die Halle des John F. Kennedy Airports. Sie war überpünktlich, um nur ja nicht die Ankunft ihrer Freundin zu verpassen. Aber Anna befand sich nicht unter den Reisenden aus Europa. Sie ließ ihren Namen ausrufen, glaubte, die falsche Maschine wäre gelandet, dachte an Unfall und Flugzeugentführung, bis ihr endlich der befreiende Gedanke kam, daß Anna einfach ihren Flug versäumt haben könnte. Bestimmt hatte sie bis spät in die Nacht hinein gepackt und dann verschlafen. Sieben Uhr früh ist nicht gerade eine christliche Zeit zum Fliegen.
    Sie hatten fast täglich miteinander telefoniert, zum letzten Mal vorigen Freitag. Anna hatte zwar am Telefon etwas nervös geklungen, schien sich aber auf New York zu freuen.
    Ann-Marie hatte alle Hände voll zu tun gehabt, um ihre kleine Wohnung auf Hochglanz zu bringen. Sie hatte das ganze alte Zeug vors Haus gebracht und einen Flohmarkt veranstaltet, um Platz für Annas Sachen zu schaffen.
    Leicht verärgert, aber auch belustigt über die Unzuverlässigkeit ihrer Freundin, begab sie sich zurück in ihre Wohnung und versuchte, Anna telefonisch zu erreichen.
    Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang fremd und war stark dialektgefärbt. Zuerst dachte Ann-Marie, sie hätte sich verwählt, doch dann begann die Frau zu erzählen.
    „Du hast ja keine Ahnung, wie langweilig mein Leben ist“, sagte Anna.
    „Soll ich dir meinen ganz normalen Alltag schildern? Also …, meistens verschlafe ich den halben Vormittag. Während Frau Maricek mit dem Staubsauger durch die Wohnung zieht und der Geschirrspüler auf vollen Touren läuft, wälze ich mich im Bett. An Schlaf ist natürlich nicht mehr zu denken. Ich überlege, welche Termine ich streichen kann und welche ich unbedingt einhalten muß. Die beste Lösung ist immer, alle zu verschieben. Nach einer ausgiebigen Morgentoilette fühle ich mich zwar kaum erfrischt, aber wenigstens sauber. Den Kaffee trinke ich in der Küche. Frau Maricek leistet mir dabei Gesellschaft. Wir unterhalten uns über Belangloses, zum Beispiel über die neuen Möbelpflegemittel, die auch nicht mehr so gut sind wie die früheren. Oder wir besprechen den letzten Nachtfilm und die Sensationsmeldungen der Kronenzeitung. Was die Filme betrifft, sind wir fast immer einer Meinung. Wir lieben beide traurige Geschichten mit Happy-End. Bei den Zeitungsmeldungen teilen sich unsere Vorlieben. Ich interessiere mich vor allem für Vergewaltigungen, während Frau Maricek Raubüberfälle bevorzugt. Ja, und dann schildert sie mir zum hundertsten Mal das Drama ihrer gescheiterten Ehe. Ihr Mann ist vor vielen Jahren abgehauen, hat sie sitzengelassen mit den Schulden und dem kleinen Buben, der inzwischen auch ohne seine Hilfe groß geworden ist. Er scheint seinem Vater nachzugeraten. Zumindest beklagt sie sich ständig, daß er ein rechter Taugenichts sei. Er hat schon zweimal die Stelle wechseln müssen, weil er andauernd zu spät in die Arbeit kommt und immer gegen seine Vorgesetzten aufbegehrt.“
    Ann-Marie gähnte demonstrativ und machte sich nicht die Mühe, die Hand vor den Mund zu halten.
    Hätte sie doch bloß den Mund gehalten.
    Diese fremde, zittrige Stimme klingt ihr noch immer in den Ohren:
    „Frau Anna ist heute morgen im Hof gefunden worden, zerschmettert, mausetot.“
    Gefallen, erloschen, erlöst, ausgelitten, ausgekämpft, verschieden, leblos, kalt, tot.
    „Sie hat ausgesehen wie ein friedlich schlummerndes Kind. Zusammengekauert, mit angezogenen Beinen ist sie dagelegen, als ob
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