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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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geht es von Dingle nach Castlemaine, bevor wir in unsere Richtung, Süd-Südost nach Cork, einbiegen können.
    Auf dem Hinweg hatte uns das Wetter die Aussicht auf die Dingle Bay verwehrt. So freue ich mich jetzt auf eine sonnige Fahrt mit freiem Blick.
    In Anascaul fotografieren wir Dan Foley’s berühmten rosafarbenen Pub, eine Kneipe, die viele von den entsprechenden Ansichtskarten her kennen. Ein Foto von der schwarz-weiß getünchten ‘Süd-Pol’-Kneipe mißlingt. Ach, wir hätten es ahnen können. Eine Kneipe, die ‘Süd-Pol’ heißt! Obwohl wir uns näher dem Nordpol bewegen. Mit dem Finger auf der Landkarte ist es doch nicht mehr weit: nur nach Schottland hoch, Katzensprünge zu den Orkneys, den Shetlands, den Färöern. Von dort nach Island, wir sind fast schon da, Sprünge noch über Jan Mayen nach Spitzbergen und dann...
    Wir stehen vor dem ‘Süd-Pol’! Ob Nord- oder Südpol: Schon während wir fotografieren, huschen die ersten Nebelfetzen über Dan Foley’s rosa Fassade. Das Wetter ist innerhalb kürzester Zeit umgeschlagen, Nieselregen und Nebel. Wir sehen nichts vom Wasser, nichts von Inch und der folgenden Felsküste. Nichts ist zu sehen, nur der große Milchsee ist um uns herum, der Dylan-Thomas-Milchwald.
    Wir konzentrieren uns auf das Radfahren, fahren schnell, fast verbissen. In Castlemaine die Pause, wieder auf der Holzbank neben der Wasserpumpe, im selben trüben Wetter wie auf der Hinfahrt.
    Weiter nach Süden, nach Killorglin. Wir kämpfen gegen den unangenehmen Südwestwind. Fahren hintereinander wegen des starken Verkehrs. Endlich biegt die N 22 nach Südosten ab, wir bekommen Seitenwind. Noch zehn Kilometer bis Killorglin. Es wird heller, aber nicht hell. Zwischen hohen Hecken fahren wir dahin, wechseln nur wenige Worte.
    Mädesüß und Geißblatt duften stark am Wegesrand, Erinnerungen an die Blumengärten meiner Großeltern steigen auf. Erinnerungen, die an Düfte geknüpft sind, die die Kindheit wachrufen. Sorglosigkeit, Glück, die Spiele draußen, ein Tag so spannend wie der andere in langen, heißen Sommern. Und Sigrid, die erste Liebe.
    Die Reifen rubbeln über den Rauhasphalt, die Arme schmerzen, schon fünfundfünfzig Kilometer, der Sattel drückt, die Gedanken schwirren zwischen Killorglin und Killarney, das in so vielen Liedern besungen wird.
    In Killorglin sitzen wir am River Laune, an der Bogenbrücke. Die Stadt wirkt überschaubar, lebendig, es gibt ein Kino, zwei Hotels und ein Fahrradgeschäft. Und viele andere Geschäfte. Sheahan’s Pharmacy, die Metzgerei John Hurley, die Esmerald Collection mit Textilien oder Mac’s Icecream. Und O’Flaherty, O’Sullivan, Mulcahy und M’Doshea. Ja, sicher, oder war das in Killarney? Doch, in Killarney auch, Penny’s Pottery, the Innisfallen Shopping und The Flesk Restaurant, und Sean Coyne oder O’Leary.

    Menschen eilen geschäftig die Hauptstraße hinauf und hinunter — wie wenig die anhaben, bei dem Wetter, während wir uns am Fluß bei der Bogenbrücke niederlassen. Plötzlich wechselt die Stimmung, wir haben gute Laune, irische Laune. The Irishness!

    Gegen siebzehn Uhr treffen wir in Killarney ein. Über siebzig Kilometer waren das heute, was man nicht alles schafft, wenn man gute Laune hat. Irgendwo zwischen Dingle und Killarney haben die Scheibenrädchen des Kilometerzählers die tausender Marke übersprungen, ohne daß wir es gemerkt haben. 1.000 Kilometer. So wenig, so viel.
    Killarney ist von Touristen überlaufen. Wir hören viele deutsche Sprachfetzen. Seit zweihundert Jahren gibt es hier Tourismus, die Stadt soll daraus entstanden sein. Zweirädrige Pferdekutschen bringen die Leute in den herrlichen Park um den Lough Leane, der zum Nationalpark erklärt und für den Autoverkehr gesperrt worden ist. Musiker spielen am Straßenrand, alle Touristenrestaurants mit Touristenmenüs sind überfüllt, auch ‘The Flesk Restaurant’, das wir uns ausgesucht haben.
    Wir verdrücken uns in eins der unscheinbaren Pubs, die Theke ist dicht umlagert, der Fernseher läuft, niemand schaut hin. Am Fenster sitzen drei Männer auf einer Bank, ein kurzer stämmiger mit Stoppelhaaren, ein kleiner, verknitterter mit glatten Resthaaren und ein älterer, schlohweißer. Nebeneinander sitzen sie dort, wechseln ab und zu einige Worte, greifen dann und wann zu den Gläsern und schlürfen ihr Dunkles.
    Wir bekommen trotz der Fülle blitzschnell unsere einfachen Bar Meals, Hühnchen und Kabeljau (Cod) mit Chips, danach Eis und dazu
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