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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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England, traf sich jetzt hier heimlich mit der Queen, um das weitere politische Vorgehen zu besprechen. Als am selben Abend hinter dem Skellig-Hotel ein Hubschrauber landete, wurden unsere Vermutungen zur Gewißheit. Ein Hubschrauber in Dingle, ja, für wen wohl? Salman Rushdie, der Todeskandidat, und die Queen wurden wieder abgeholt.
    Doch wer glaubt mir, den Satan der Verse gesehen zu haben. Kaum glaube ich es selbst. Ich holte mir noch ein Stout: eigentlich sah er sich sehr ähnlich!

    Sonntag, 20.6.
    Ein Tag wie der Name.
    Wir genießen den Strand in der Nähe des Leuchtturms. Ilse malt ihn, Trudi stöhnt über zuviel Sonne, Uschy fühlt sich wie im Paradies, und ich bade zum erstenmal im kühlen Wasser.

    Am Abend landen wir in einem ‘Singing Pub’, wo zwei Musikerinnen mit Akkordeon, Trommel und Tamburin wilde irische Musik erklingen lassen. Eine Gruppe Iren tanzt zu gälischen Volksweisen, wir sehen und hören gebannt zu. Es wird spät.

    Montag, 21.6.
    Milltown Bridge.
    Milltown ist der nächste Ort Richtung Westen. Wir spazieren gemeinsam am Steinstrand von Milltown Bridge entlang. Bei der Pause am Wendepunkt im Sonnenschein gerate ich ins Träumen.

    Brücke bei Milltown

    Sanft gleitet die Prau
    über den Spiegel der Bay
    Am niedrigen Ufer
    Büsche wie Mangroven
    Urwald krönte einst die Tatzen der Felsnasen.

    Brennend bohrt die Sonne
    ihre Strahlen in den Sulawesi-Sund
    Langsam gleitet die Zeit, endlos
    wie Fangarme tödlicher Schlingen.

    Klagende Schreie der Möwen —
    zurück aus den Seemannsgeschichten
    zum Steinstrand der Wirklichkeit
    Milltown Bridge in nördlichen Breiten.

    Im Radio sagen sie eine kalte Nacht an, zwischen fünf und acht Grad. Ilse behauptet, Hinweise auf die Gefahr von Bodenfrösten herausgehört zu haben.
    Gut, daß wir Sommeranfang haben.

    Dienstag, 22.6.
    In diesem Frühjahr hat Irland zum zweitenmal den ersten Preis beim europäischen Schlagerwettbewerb, dem European Television Contest gewonnen. Ich kann mich erinnern, daß die Iren, als sie in den siebziger Jahren zum erstenmal teilnahmen, den letzten Platz belegten. Als das Ergebnis verkündet wurde, winkte der irische Sänger freundlich ins Publikum und rief: Wir kommen wieder!
    Und nun hat eine irische Bergsteigergruppe, während wir uns durch Wind und Wetter ihres Heimatlandes kämpfen, den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, bestiegen. Zum erstenmal sind Iren am Gipfelkreuz; pünktlich zum Jahrestag der Erstbesteigung vor vierzig Jahren durch den Sherpa Tenzing Norgay und den Neuseeländer Edmund Hillary. Die Iren holen auf. In den Kneipen wird heute abend ein Extra Stout getrunken.

    Der Linienbus bringt uns nach Tralee. Vom Bus aus können wir während der Fahrt die langen Sandbuchten an der Nordküste von Dingle erkennen. Wir passieren die große Windmühle vor Tralee, zur der eine kleine Dampfeisenbahn führt, kümmerlicher Rest der ehemaligen Eisenbahnlinie von Tralee nach Dingle, die bis auf einen Brückenbogen völlig von Pflanzen überwuchert ist.
    Trudi und Uschy bummeln durch die Geschäfte, Ilse und ich besuchen das vom museumspädagogischen Standpunkt aus sehr gut aufgemachte Heimatmuseum, fahren im Untergeschoß mit einem automatisch gesteuerten Elektrokarren durch eine mittelalterliche Stadt. Mehrsprachige Erläuterungskassetten können in das Armaturenbrett eingelegt werden, laufen auf Wunsch auch in Deutsch. Eine historische Geisterbahn, sehr lebensecht nachempfunden, mit Plastik-Menschen, Geräuschen, Nebel und Gerüchen, vor allem einer echten, stinkenden Gosse.

    Freitag, 25.6.
    Abreise der beiden Damen. Die Stimmung ist gedrückt. Uschys Reisetasche ist geplatzt, wir müssen sie mit Zeltleinen nähen. Ja, ja, der Indian-Laden in Tralee, aus dem war Uschy kaum wieder herauszukriegen...
    Um fünfzehn Uhr wirft der Busfahrer am Hafen von Dingle den Motor an, um einundzwanzig Uhr werden sie am Flughafen sein und sich in der Halle die Nacht um die Ohren schlagen, denn das Flugzeug hebt erst morgen früh um neun Uhr ab.
    Der DER-Tours Reisedienst hat endgültig versagt, es ist uns trotz etlicher Telefonate nicht gelungen, den Abholdienst zu mobilisieren. Ein Taxiunternehmen gibt es in Dingle nicht.

    Wir nehmen uns zum Abschied ganz fest in die Arme, dann fährt der Bus, wir winken mit den Taschentüchern, weg sind sie.
    Wir fühlen uns verlassen und sind den ganzen Abend lang traurig.

WIEDER UNTERWEGS

    On the road again!
    Der 45 km lange Weg an der Südküste ist zu bewältigen. Zunächst
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