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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Autoren: Lisa Wirthl
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mit dem linken Bein. Melissa begutachtete den falschen Koffer.
    „Von Hilfiger“, bemerkte sie, „schick.“
    „Was soll ich denn jetzt machen, verdammt?“, maulte Leslie und stand auf, um gegen den blöden Koffer zu treten.
    „Wir warten bis morgen“, sagte Anne, „dann fahren wir zum Flughafen und holen deinen zurück.“
    Nervös zwirbelte Leslie eine Haarsträhne zwischen den Fingern. „Aber was soll ich anziehen?“
    „Ich leih dir was!“, rief Melissa sogleich hilfsbereit.
    Anne bedachte sie mit einem abschätzenden Blick. „Nichts für ungut, Meli“, sagte sie, „aber deine Sachen werden unserer dürren Leslie um einige Nummern zu groß sein.“
    Sie stützte sich genervt auf den fremden Koffer.
    „Warum hat das Ding eigentlich ein Sicherheitsschloss? Ist da ’ne Bombe drin oder so? Solche Gepäckstücke werden doch normalerweise vom Personal geöffnet, oder?“
    Das interessierte Leslie jetzt herzlich wenig.
    „Und mein Make-up?“, fragte sie. „Und mein Nachthemd und meine Kamera? Und meine Bücher und das Foto von Benny und Mom? Und –“
    „Du siehst auch ohne Make-up gut aus“, sagte Anne und legte ihrer Freundin beruhigend den Arm um die Schultern. „Ich leih dir mein kurzes blaues Kleid. Das dürfte dir dann bis zu den Knien gehen.“ Sie grinste. Anne war sehr groß, einen Kopf größer als Leslie.
    Leslie nickte widerwillig und entwand sich Annes Griff.
    „Na gut …“, murrte sie, und während Anne und Melissa gleich darauf wieder im Bad verschwanden, machte sie sich daran, das Schloss zu knacken – mithilfe tausender Nebenrechnungen. Sie hasste Wahrscheinlichkeitsrechnung. Aber es funktionierte ohnehin nicht.
    Scheiße, dachte sie, denn zugegebenermaßen war sie plötzlich schrecklich neugierig, was sich wohl in dem Koffer befand. Kein normaler Mensch verschloss einen normalen Koffer mit einem Hochsicherheitsschloss.

5
    Anne hatte die schweren Vorhänge zugezogen, bevor sie sich schlafen legte. Jetzt war es stockdunkel im ganzen Raum, aber Leslie war kein bisschen müde. Sie hatte sich nachdenklich hinter einen der Vorhänge auf die Fensterbank gesetzt und blickte nun angestrengt nach draußen in die Dunkelheit.
    Einige Fenster der umliegenden Häuser waren noch hell erleuchtet, unten auf der Straße fuhren fast mehr Autos als am Tag vorbei. Gähnend blickte Leslie auf ihre Armbanduhr. Das Ziffernblatt leuchtete auf Knopfdruck hell auf: halb ein Uhr nachts. Verdammt, es war wirklich reichlich spät. Aber Leslie konnte beim besten Willen nicht einschlafen, geschweige denn, müde werden. Obwohl sie erneut gähnen musste. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass ihr ein wenig langweilig war. Sie dachte an ihren Koffer. Wo er jetzt wohl war? Vielleicht auf einem riesigen Berg von Gepäckstücken aus aller Welt, die irgendwie den Anschluss an ihren Besitzer verloren hatten? Keine sehr beruhigende Vorstellung.
    Sie lehnte den Kopf gegen den Fensterrahmen und lauschte Annes leisem Schnarchen. Sie murmelte irgendetwas im Schlaf vor sich hin. Leslie verkniff sich ein Grinsen. Die Decke raschelte, als sich Anne auf die andere Seite drehte. Sie hörte auf zu schnarchen. Jetzt atmete sie ruhig ein und aus. Es war ein beruhigendes Geräusch, fand Leslie.
    Als sie das erste Mal das leise Klopfen an der Tür hörte, riss sie erschrocken die Augen wieder auf. Scheinbar war sie doch kurz eingeschlafen.
    Verwirrt setzte sie sich zurecht und strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Angestrengt lauschte sie in die Stille hinein. Nichts. Kein Klopfen. Erleichtert lehnte sie sich wieder zurück und schloss die Augen. Doch, irgendwie war sie müde. Wahrscheinlich hatte sie nur geträumt. Wahrscheinlich …
    Es klopfte erneut. Lauter dieses Mal.
    Leslie riss die Augen auf. Jemand steht vor der Tür, schoss es ihr entsetzt durch den Kopf, mitten in der Nacht! Wer bloß? Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Sie hielt sogar die Luft an.
    Wieder klopfte es an der Tür.
    Leslies Herz begann zu rasen. Ich könnte durch den Spion schauen, dachte sie panisch, während sie hinter dem Vorhang hervorlugte, um nachzusehen, ob Anne wach geworden war. Aber Anne schlief. Tief und fest. Leslie war so gut wie alleine. Im Raum nebenan konnte Melissa von alledem erst recht nichts mitbekommen haben. Leslie wartete. Zögerte. Lauschte ihrem eigenen, rasenden Herzschlag und Annes leisem Schnarchen. Sonst war es totenstill. Vorsichtig setzte sie ihre nackten Füße auf den Teppichboden, blickte noch
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