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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Autoren: Leif GW Persson
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in sein Auto setzte, und bei der Vorstellung, was er damit machen würde, prickelte es überall in seinem Körper.
     
    *
     
    Zuerst hatte der Sonderbeauftragte des nunmehr verschiedenen Ministerpräsidenten ein formvollendetes Rücktrittsgesuch schreiben oder zumindest um Beurlaubung bitten wollen, aber die Stimmung auf seinem Gang hatte ihn davon überzeugt, dass er lieber nichts übereilen sollte. Deshalb hatte er sich damit begnügt, einfach nach Hause zu fahren. Auf dem Weg zum Ausgang hatte er angehalten und einige kurze Zeilen in das im Foyer ausliegende Kondolenzbuch geschrieben. Es handelte sich zwar um ein Zitat, nicht um etwas Eigenes, doch aus verschiedenen Gründen kam es ihm zutreffender vor als alles andere, und er konnte sich wortwörtlich daran erinnern, obwohl es einen Monat her war, dass er es gelesen hatte.
    »Der Tod ist schwarz wie eine Rabenschwinge, die Trauer ist kalt wie die Mittwinternacht, so lang und so ausweglos.«
    Danach war er in seine Villa in Djursholm gefahren und hatte endlich, nach langem Überlegen, seinen Entschluss gefasst. Zuerst hatte er eine Mitteilung auf Russisch geschrieben, einer Sprache, die er als junger Mann insgeheim gelernt hatte und die er niemals aktiv hatte sprechen können, weshalb sie ihm jetzt, seinem außerordentlichen Gedächtnis zum Trotz, größere Probleme machte, als er sich vorgestellt hatte. An sich macht das ja nichts, dachte er. Die Botschaft ist klar genug, und dass die Sprache ziemlich holperte, wird es nur schwieriger für sie machen.
    Danach kodierte er die Meldung mit der Primzahl, die er Forselius eigentlich zu seinem achtzigsten Geburtstag hatte schenken wollen und bei der er heimlich den Zentralrechner des Militärs zu Hilfe genommen hatte, aber da die Zahl ja nicht mehr aktuell war, konnte er sie auch benutzen. Als er damit fertig war, überlegte er lange, ob er mit seinem Namen unterschreiben sollte, dem Namen, den sie ihm schon im zarten Alter von achtzehn Jahren gegeben hatten, um ihm zu schmeicheln, aber sicher auch, um zu zeigen, dass sie sogar wussten, wie seine zwei Jahre älteren Klassenkameraden ihn genannt hatten, wenn sie ihn aufziehen wollten, als er damals das erste Schuljahr angefangen hatte.
    Am Ende fasste er seinen Entschluss und unterschrieb mit diesem Namen. Da sie keinen Zugang zum Schlüssel hatten, würde die Dechiffrierung der Mitteilung einige Jahrzehnte ihrer gesamten Computerkraft benötigen, deshalb war das alles eigentlich ganz uninteressant, aber ein paar Ameisen im Kopf konnte er ihnen doch immerhin bieten, falls sie es denn jemals schaffen würden.
    Das geschieht ihnen recht, dachte er, und als er die Ziffernreihen noch einmal las, empfand er eine tiefe Befriedigung angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Mitteilung an ihn selbst und vielleicht an einige wenige andere handelte, die so waren wie er. Das geschieht euch recht, dachte er, als er auch seine Unterschrift chiffrierte. Abschicken konnte er die Nachricht später, und zwar bei der ersten passenden Gelegenheit.
    Für den Bären und Michail .. ‚DLJIA MEDJEV MICHAIL …
    Der beste Gewährsmann … TOT KTO SAMOI LUTSHIIN- FARMATAR … ist der, der den Inhalt seiner Mitteilungen nicht begreift … TOT KTO SAM NE PONJAL STO ON RASS- KASOVAL … dann sein Name … der Name, den sie ihm vor mehr als zwanzig Jahren gegeben hatten … der Professor … PRAFESSOR. Denn wie hätte er es sonst zurückzahlen können?
    Danach hatte er Krassners Papiere im offenen Kamin verbrannt, und als er dann endlich schlafen ging, gelang es ihm, dieses eine Mal, an nichts Besonderes zu denken.
     
    *
     
    Ungefähr in dem Moment, als der Sonderbeauftragte Rosenbad verließ, schlich Waltin sich in die Technische Abteilung. Dort herrschte das komplette Chaos, was ihm nur recht war, denn auf diese Weise konnte er unbemerkt den vor über einem halben Jahr dort ausgeliehenen Revolver zurückbringen. Er legte ihn einfach auf eine Bank und ging wieder, ohne sich auch nur nach dem traurigen kleinen Scheißer Wiijnbladh erkundigen zu müssen, den er in Reserve gehabt hätte für den Fall, dass einer von dessen halb debilen Kollegen es gewagt hätte zu fragen, was ein Leitender Polizeidirektor der Sicherheitspolizei an einem solchen Tag bei ihnen verloren habe.
    Aber keiner hatte etwas gehört, gesehen oder gesagt, und Waltin war einfach wieder gegangen. Und das Gefühl, mit dem er die Straße betreten hatte, war fast ebenso wunderbar wie damals, als er sich hinter sein Mütterchen
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