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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Autoren: Leif GW Persson
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hatte sich über das Wochenende frei genommen und war mit seiner Freundin nach Dalarna gefahren, um am Vasalauf teilzunehmen, und in Anbetracht der eher delikaten Natur dieses Ausflugs hatte er sorgsam vor aller Welt verschwiegen, wo er sich aufzuhalten gedachte.
    Er hatte ganz einfach keine Ahnung, dass der Ministerpräsident in seinem eigenen Hinterhof erschossen worden war. Der Hotelportier erzählte ihm davon, als er am Morgen zum Frühstück erschien. Der Polizeichef packte natürlich sofort sich, seine Skier und seine Freundin ins Auto und fuhr nach Stockholm zurück.
    Am Vasalauf konnte er auch im nächsten Jahr noch teilnehmen, doch ein Mord an einem Ministerpräsidenten wurde so selten arrangiert, dass man die Gelegenheit nutzen musste. Was für eine einzigartige Möglichkeit, dachte er, als er sich hinter das Lenkrad setzte, um zum ersten Mal die neuen intellektuellen Untersuchungsmethoden auszutesten. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Während er fuhr, notierte seine Freundin allerlei Gedanken, Ideen und Vorschläge. Was nur gut und richtig war, denn sie war natürlich auch bei der Polizei, in einem nicht so hohen Rang zwar, aber eben doch bei der Polizei.
    Noch ehe sie Sala erreichten, hatte sie fünfunddreißig unterschiedliche Spuren notiert und in Hauptspuren, alternative Hauptspuren und Nebenspuren eingeteilt. Die so genannten Stichspuren, auf die sein bester Freund ihn so hilfreich hingewiesen hatte, wollte er zunächst noch hintanstellen. Einerseits hatte der beste Freund seine versprochene Aktennotiz zum Thema noch nicht geschickt, andererseits wusste er natürlich noch nicht, einen wie großen Teil seiner Einsatztruppen er anderweitig würde beschäftigen müssen, während er darauf wartete, dass er sie brauchte.
    »Darf man eine Frage stellen?«, sagte seine Freundin.
    »Aber natürlich, Liebling«, sagte er. Die hört sich ja sauer an, dachte er.
    »Diese Hauptspur. Woher weißt du das?«
    »Woher weiß ich was?«, fragte der Polizeichef geduldig.
    »Ja, dass die Kurden ihn erschossen haben«, sagte sie. »Woher weißt du das?«
    »Weil das die statistisch wahrscheinlichste Lösung ist«, sagte der Polizeichef.
    »Aber die haben noch nie einen schwedischen Ministerpräsidenten erschossen«, sagte sie verärgert. »Die erschießen sich doch immer nur gegenseitig.«
    »Ja, aber, Liebling, das ist doch leicht zu erklären«, sagte der Polizeichef und gab sich wirklich Mühe, so freundlich und pädagogisch zu klingen, wie es überhaupt nur möglich war. »Das hat ja noch niemand getan. Weder Jude noch Grieche noch … ja, ein normaler Schwede, wenn man so sagen darf, hat wohl jemals einen schwedischen Ministerpräsidenten ermordet. Das kannst du ihnen also nicht zum Vorwurf machen. Oder, Liebling?«
     
    *
     
    Warum hat er seine liebe Frau nicht gleich mit erschossen?, überlegte Waltin, als er die Tür der Wohnung in Gärdet auf- schloss, um hinter seinem Gesinnungsbruder und überaus geschätzten Mitarbeiter aufzuräumen. Vielleicht wird er ja langsam sentimental, dachte Waltin, aber da dieser Gedanke dermaßen lächerlich wirkte, schlug er ihn sich sofort wieder aus dem Kopf und wandte sich den praktischen Dingen zu.
    Zuerst hatte er Kleider und Schuhe in eine Tasche gesteckt. Er wollte sie ordentlich reinigen lassen, ehe er sie an seinem sicheren Ort unterbrachte. Sie einfach wegzuwerfen, käme natürlich nicht in Frage. Es handelte sich um Gegenstände von höchstem historischen Wert, sie waren geradezu einzigartig. Ihm lief schon jetzt das Wasser im Munde zusammen, wenn er sich überlegte, wie viel sie in nicht allzu ferner Zukunft bei einer Auktion bei Sotheby’s einbringen würden. Oder auch bei Christie’s.
    Die Lebensmittel und den ganzen anderen Schrott warf er in den Müllschacht. Jetzt war nur noch die Waffe an sich übrig.
    Schon, als er morgens aufgewacht war, war ihm eine dermaßen großartige Idee gekommen, dass er wie auf Wolken geschwebt war und sich zweimal eine Auslösung verschaffen musste, ehe er sich an die praktischen Aufgaben machen konnte.
    Zuerst befreite er die Kammer von den beiden leeren Hülsen und den vier Patronen, die Hedberg nicht benötigt hatte, steckte sie in eine Briefmarkentüte und brachte sie in der Tasche mit den Schuhen und Kleidern unter. Den Revolver wischte er sorgfältig ab, steckte ihn in seine Jackentasche, nahm die Tasche mit den Kleidern, schloss die Tür ab und verließ das Haus. Bleibt also nur der Revolver, dachte Waltin, als er sich
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