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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Autoren: Leif GW Persson
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immer, und deshalb hatte er auch nichts anderes erwartet.
    »Sie sagen, dass er eine Waffe hat«, sagte Bäckström.
    »Ja, die hat er mir einmal gezeigt.«
    »Was war das denn für eine Waffe?«, fragte Bäckström. »Wissen Sie das noch?«
    »Das war so eine, wie man sie in Westernfilmen sieht. So eine Cowboypistole.«
    Was du nicht sagst, dachte Bäckström und spürte, wie seine Erregung wuchs, denn ehe er die Wache verlassen hatte, hatte er gehört, wie ein Augenzeuge vom Tatort behauptete, der Täter habe einen Revolver benutzt.
    »Sie meinen einen Revolver?«, sagte Bäckström.
    »Ja«, sagte sie und nickte. »Einen Revolver, genau.«
    Sieht nicht gut aus für diesen miesen Pfeilwerfer, dachte Bäckström zufrieden, denn bald wird ihm ein echter Profi in den Nacken pusten. Überhaupt nicht gut, dachte Bäckström und grinste.
     
    *
     
    Es war die schlimmste Nacht in Kommissar Koskinens Leben gewesen. Und dabei hatte alles so schön angefangen. Es war zwar Freitag, und es waren Löhne gezahlt worden, aber trotzdem war es den ganzen Abend ruhig geblieben. Die klirrende Kälte und der eisige Wind waren die beste Garantie dafür, dass auf Markt und Straßen Ordnung und Sicherheit herrschten, dachte Koskinen zufrieden und hielt es für höchste Zeit, Zuflucht zu einer alten Freundin zu suchen, die er in seinem Kleiderschrank versteckt hielt.
    Glücklicherweise hatte er zweimal einen ordentlichen Schluck nehmen können, ehe alles über ihm zusammenbrach. Er hatte sie eben erst wieder eingeschlossen und sich mit ein paar Mentholtabletten frisch gemacht, als einer seiner Einsatzleute hereinplatzte und aussah wie der Tod auf Latschen.
    »Da bist du ja«, sagte er. »Jetzt ist in der Grube der Teufel los.«
    »Grube« war der interne Name der Einsatzzentrale der Stockholmer Polizei, und zuerst hatte Koskinen kein Wort verstanden, sondern sich nur im Zimmer umgesehen, für den Fall, dass es dort etwas oder jemanden zu entdecken gäbe.
    Wieso denn?, dachte Koskinen.
    »Die haben den Ministerpräsidenten erschossen«, sagte sein Gegenüber.
    »Was ist denn das für ein Unsinn«, sagte Koskinen. »Das ist bestimmt wieder so eine blöde Übung, das kannst du dir doch denken.« Darüber muss ich mit der Gewerkschaft reden, dachte er. Dahinter steckt bestimmt der Irre, der unser operativer Chef sein soll.
    Sein jüngerer Kollege sah ihn nur an. Dann schüttelte er mehrere Male den Kopf. Er stand einfach nur da und schüttelte den Kopf und sah ihn an.
    »Neinneinnein«, sagte er. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und lief zurück in die Einsatzzentrale.
    Der Rest war der pure Albtraum gewesen. Wie damals im Sommer, als er im Delirium mehrere Stunden mit einem Tintenfisch gerungen hatte, obwohl er ja eigentlich nur schlafend im Bett lag und sich dabei fast mit seinem eigenen Laken erwürgte. Aber damals war alles wieder in Ordnung gekommen. Er hatte sich ein paar Wochen frei genommen, und der Arzt hatte ihm ein besonders kräftiges Beruhigungsmittel verschrieben. Diese Nacht hier war schlimmer, denn sie nahm einfach kein Ende.
    Zuerst nahmen seine Halstabletten ein Ende, aber das war wohl nicht die Welt, da er ja offiziell noch erkältet war und deshalb Distanz zu den anderen halten musste. Aber dann nahm auch der Schnaps ein Ende, und dabei hatte er doch einiges gebunkert, schließlich war Freitag. Und danach hatte jeder Chef aus jedem verdammten Bezirk an der Strippe gehangen, und alle hatten sofort über die Lage informiert werden wollen, um danach mit gutem Gewissen im Weg zu stehen. Die konnten ihn doch kreuzweise mit ihrer Lage. Der einzige Trost war, dass die meisten so energisch gefeiert hatten, dass es ihnen ganz egal war, dass er keine Halstabletten zu bieten hatte. Und über den Polizeichef kann man ja sagen, was man will, dachte er, aber der ist der Einzige, der mir nicht auf die Nerven gegangen ist. Er hatte überhaupt nichts von sich hören lassen.
    »Das ist die Lage«, sagte Koskinen zum einundfünfzigsten Mal in dieser Nacht. »Der Ministerpräsident ist erschossen worden und der Täter konnte vom Tatort entkommen.«
    Ansonsten herrschte das Chaos, und nichts war auch nur im Entferntesten so wie bei dieser unbegreiflichen Übung, die der Polizeichef angeordnet hatte. Und erst am Samstagnachmittag hatte er dann endlich ins Bett fallen können.
     
    *
     
    Dass der Stockholmer Polizeichef Kommissar Koskinen in Ruhe gelassen hatte, lag nicht etwa daran, dass die Ereignisse ihm gleichgültig gewesen wären. Er
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