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Zweyer, Jan - Rainer Esch 01

Zweyer, Jan - Rainer Esch 01

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
Autoren: Glück ab Glück auf
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ihn. Das dumpfe Gefühl in seiner Magengegend wich kurzzeitig der Überzeugung, wahren Arbeitseifer zu beweisen.
    Leider verschwand dieses Hochgefühl ebenso schnell, wie es gekommen war, und machte tiefer Hilflosigkeit Platz. Diese Klausur konnte er einfach nicht schaffen, die konnte im Grunde keiner schaffen. Ohne jahrelanges, intensives Studium war so etwas nicht möglich, niemals. Und wer hat schon die Zeit, fragte sich Rainer, bei einem normalen Studienverlauf mit durchzechten Nächten, Taxifahren und den anderen Verpflichtungen, die so ein Studium mit sich bringt, so viel zu lernen? Er jedenfalls nicht. Im Grunde eine Zumutung.
    Ehrlich entrüstet machte er vor der Bibliothek kehrt, fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter zur Caféteria und reihte sich an der Verkaufstheke in die Schlange derer ein, die entweder ebenfalls gerade keine Zeit zum Besuch irgendwelcher Vorlesungen oder Seminare hatten oder einfach nur Pause machen wollten.
    Leider entpuppte sich die Entscheidung schnell als Flop. Die hinteren Tische waren ausnahmsweise nicht von Doppelkopfspielern besetzt, der Kaffee eher mäßig und das Brötchen nach dem stundenlangen Aufenthalt in den Kühlregalen von gummiartiger Konsistenz.
    Die Tische und auch der Boden waren bedeckt mit zahllosen Flugblättern. Studentische Hochschulgruppen luden zu Meetings ein, Segelschulen boten ihre Dienste an, der Mensa-Buchladen pries seine Billigangebote.
    Lustlos kaute Rainer auf dem Brötchen herum. Er sah auf die Uhr. Zu versuchen, sich jetzt noch auf die Klausur vorzubereiten, war sinnlos. Das wurde ihm mit erschreckender Deutlichkeit klar. Sekt oder Selters. Mit einem resignierenden Seufzer machte er sich auf den Weg zum Hörsaal 10 zwischen den Gebäuden GB und GC.
    Dort warteten vor dem Eingang schon Dutzende weitere Delinquenten und rauchten, wie Rainer schien, ihre letzten Zigaretten. Er steckte sich auch eine Reval an und inhalierte mit tiefen Zügen. Sein Gefühl der Hilflosigkeit begann zu einer ausgemachten Panik anzuwachsen. Bevor er sich aber in diesen Zustand gänzlich einfinden konnte, erschien ein ihm bekannter Hochschulassistent vor der Hörsaaltür.
    »Na was ist, meine Damen und Herren. Haben Sie etwa keine Lust?«
    Eine innere Stimme in Rainer schrie nein. Trotzdem trottete er hinter den anderen Studenten her und suchte sich einen freien Platz in der Mitte des Hörsaales.
    »Bitte benutzen Sie nur das vor Ihnen liegende Papier, auch für eventuelle Notizen. Und schreiben Sie Ihren Namen und Ihr Semester oben links auf das erste Blatt. Wir verteilen jetzt das Klausurthema.«
    Als die ersten Prüflinge die Aufgabenstellung empfangen hatten, ging ein leichtes Raunen durch den Saal. Rainer wartete mit weichen Knien, bis er an der Reihe war. Er nahm das fotokopierte Blatt entgegen und las die Aufgabe: A und B haben eine ausgiebige Zechtour miteinander unternommen, die sie in der Gaststätte M beendeten. Vor der Gaststätte war das Auto des B geparkt, der sich außerstande fühlte zu fahren. Daraufhin erklärte sich A bereit, das Fahrzeug zur Wohnung des B zu fahren. B nahm auf dem Beifahrersitz Platz. In einer Kurve verlor A die Kontrolle über das Fahrzeug des B, rammte das Fahrzeug des C und schob dieses in den Vorgarten des Hausgrundstücks des Eigentümers D, wobei ein seltener Zierstrauch beschädigt wurde.
    In ihrer Panik verließen A und B das Fahrzeug, um in die Gaststätte des E zurückzukehren, von dem sie wußten, daß er sein Jurastudium nach dem 20. Semester abgebrochen hatte.
    Nach ausführlicher Beratung mit E und dem Taxifahrer F
    wurde allgemein beschlossen, daß der F, A und B zur nächsten Polizeidienststelle fuhr, um eine Diebstahlsanzeige bezüglich des Fahrzeuges des B zu erstatten. Der Polizeibeamte G stellte fest, daß sowohl A, B und F deutlich unter Alkoholeinfluß standen, veranlaßte eine Blutprobe sämtlicher Erschienenen, zog die Fahrerlaubnisse aller Beteiligten ein und beschlagnahmte die verschlammte Hose des B. Anschließend wurden A, B und F in die Ausnüchterungszelle geführt.
    Überprüfen Sie den Sachverhalt gutachtlich unter Berücksichtigung aller rechtlich relevanten Gesichtspunkte, wobei Sie davon ausgehen können, daß bei A, B und F eine BAK von mehr als 2,2 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme festgestellt wurde.
    Rainer Esch wurde schlecht. Diesmal lag es aber nicht an den Folgen der letzten Nacht.
     
    8
    Um Viertel vor sechs stand Cengiz Kaya vor der Pförtnerloge des Bergwerkes Eiserner Kanzler in
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