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Zwergenbann: Roman

Zwergenbann: Roman

Titel: Zwergenbann: Roman
Autoren: Frank Rehfeld
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Wenn du bei jedem Geräusch gleich das Schlimmste annimmst, fängst du noch an durchzudrehen.«
    Er verstummte, als irgendwo in der Nähe ein Nachtvogel schrie: ein unheimlicher, furchteinflößender Laut, der selbst Thilus eine Gänsehaut über den Rücken trieb, weil er für ihn etwas völlig Ungewohntes darstellte. In der Tiefenwelt gab es keine Vögel.
    »Außerdem würde sie es spüren, wenn Feinde in der Nähe wären«, fügte Thilus nach ein paar Sekunden hinzu und deutete dabei auf die Priesterin, die zwei Schritte von ihnen entfernt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Felsboden saß und während der gesamten Wache bislang kein Wort mit ihnen gesprochen hatte. Er kannte nicht einmal ihren Namen. Zwar hatte sie die Augen geschlossen, wie er trotz des Schleiers vor ihrem Gesicht sah, aber er wusste, dass sie keineswegs schlief, sondern sich in Trance versetzt hatte. Obwohl sie sonst fast nichts wahrnahm, was um sie herum vorging, waren ihre magischen Sinne in diesem Zustand sogar besonders geschärft. Und allein darauf kam es an.
    »Vielleicht hast du recht«, murmelte Dulon. Es klang nicht richtig überzeugt, aber wenigstens entspannte er sich ein wenig und hüllte sich fröstelnd wieder fester in seinen Mantel. »Das alles fängt allmählich wirklich an, mich verrückt zu machen. So was ist doch kein Leben für einen Zwerg, ich hasse die Außenwelt! Woche um Woche vegetieren wir hier nun schon dahin, anders kann man es ja wohl nicht nennen. Soll das etwa ewig so weitergehen? Lieber würde ich bei dem Versuch sterben, Elan-Dhor zurückzuerobern, als auf Dauer so zu leben.«

    Thilus lächelte flüchtig, aber es wurde eher eine humorlose Grimasse. Worte wie diese hatte er in den letzten Wochen wieder und wieder gehört. Zu oft und aus zu vielen Mündern, und er nahm sie sehr ernst.
    »Warst du bei der Schlacht am Tiefenmeer dabei?«, fragte er.
    »Nein.« Dulon schüttelte den Kopf, doch in seine Augen trat plötzlich ein Glanz, der Thilus ganz und gar nicht gefiel. »Dafür aber bei der letzten Verteidigung des Südtores. Wir waren noch längst nicht geschlagen und hätten es noch lange halten können, daran gibt es keinen Zweifel. Aber was geschieht stattdessen?« Er schnaubte verächtlich. »Rückzug! Statt unsere Heimat mit allem, was wir haben, zu verteidigen, geben wir die Stadt diesen Ungeheuern preis und fliehen schmachvoll. Unsere Vorfahren hätten einen König, der einen solchen Befehl erteilt, samt seinen Beratern an die Tore des Palastes genagelt, und was tun wir? Wir folgen diesen Verrätern an unserem eigenen Volk auch noch bereitwillig!«
    Thilus seufzte erneut. Er konnte bis zu einem gewissen Punkt verstehen, was in dem jungen Krieger vorging, und er wusste, dass vor allem unter den jüngeren Zwergen viele so dachten wie er. Ruhm und Ehre galten nicht nur innerhalb der Kriegerkaste mehr als alles andere, doch darum ging es nicht allein. Dulon war ein junger, heißblütiger Spund mit einem fast kindlichen Gesicht und einem dünnen, noch nicht einmal fingerlangen Bart von der gleichen hellen Sandfarbe wie sein Haar. Vermutlich hatte er erst vor wenigen Jahren seine Ausbildung in den Kasernen abgeschlossen und noch so gut wie keine praktische Kampferfahrung sammeln können. Selbst die letzten der großen Schlachten stellten für ihn und seine Altersgenossen nur noch Erzählungen aus tiefer Vergangenheit dar. Sie waren in einer Zeit relativen Friedens geboren und im Glauben an die militärische Stärke und Unbesiegbarkeit des Zwergenvolkes aufgewachsen, das diesen Frieden mit Gnomen, Goblins oder anderen ihnen unterlegenen Völkern der Tiefenwelt garantierte.

    Aber das war vor der Entdeckung der Dunkelelben gewesen.
    Rund drei Monate war es mittlerweile her, dass ein Expeditionstrupp von Elan-Dhor, der letzten großen Zwergenstadt, tiefer als jemals zuvor in den Leib der Erde hinabgestiegen und dabei auf einen bislang gänzlich unbekannten Teil der Tiefenwelt gestoßen war. Wie sich inzwischen herausgestellt hatte, waren vor Äonen Abtrünnige des Elbenvolkes, die nach Macht über die jüngeren Völker strebten, nach einem langen, erbitterten Kampf von den siegreichen Hochelben dorthin verbannt worden. Alle Zugänge waren durch magische Siegel verschlossen worden, und selbst das Wissen um diese Ereignisse war im Laufe der Jahrtausende verloren gegangen. Aber wider alle Wahrscheinlichkeit hatten die Abtrünnigen abgeschnitten von der Außenwelt nicht nur auf noch unbekannte Art und Weise überlebt,
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