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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht
Autoren: Blazon Nina
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dunkel umrandete Augen, was sie ein bisschen Gothic aussehen ließ. »Der Raum ist erst um Viertel nach zehn frei. Mann, du siehst völlig kaputt aus!« Sie wuchtete einen Stapel Bücher auf die Kritzeleien. Barney sucks! verschwand unter einem Geschichtsbuch.
    »Nur der Jetlag«, krächzte Jay. Seine Kehle war plötzlich noch viel trockener. Und die amerikanischen Worte schienen in seinem Hirn zu flimmern und ihm entwischen zu wollen.
    Jenna grinste. »Ich habe gehört, du spielst vielleicht in Alex’ Team?«
    Das hatte sich schnell herumgesprochen. Und offenbar brachte Alex ihm Pluspunkte ein. Zusammen mit der Tatsache, dass Mädchen ihn ohnehin mochten, und dem Exotenbonus, der deutsche und dazu noch einzige Austauschschüler an dieser Schule zu sein, ergab das ein ganz ordentliches Plus auf der Skala der interessanten Mitschüler. Zumindest bei Jenna und ihrer Freundin. Beide lächelten ihn erwartungsvoll an. Nur die dritte in der Gruppe, Madison, blätterte in ihren Unterlagen und beachtete ihn kaum. Was schon wieder ausreichte, um ihn nervös zu machen, und nicht gerade dabei half, sich in einer fremden Sprache besonders flüssig auszudrücken.
    »Es ist nur ein Training«, erklärte er. »Und dann sehen wir weiter. Vielleicht spiele ich ja doch lieber Soccer.«
    »Aber auf der Fete morgen bist du aber auf jeden Fall dabei, oder?«
    Jay nickte und bemühte sich, nicht in Madisons Richtung zu blicken, aber natürlich nahm er auch heute alles gestochen scharf wahr: ihr langes schwarzes Haar, das glatt und kräftig war und nur von einigen dünnen Zöpfen durchschnitten wurde, den bronzefarbenen Hautton, die hohen Wangenknochen und die schräg geschnittenen Augen, die den Eindruck von Fremdheit noch verstärkten. Indianeraugen , dachte Jay fasziniert. Aber es war nicht nur ihr Aussehen, sondern auch die Tatsache, dass sie so sparsam mit ihrem Lächeln umging. Oder dass sie mich auch nach vier Tagen praktisch ignoriert .
    Immer noch konnte er sich keinen Reim auf sie machen. Bei Facebook war sie nicht, und wenn er Jenna glauben durfte, besaß sie nicht einmal ein Handy. Allein das reichte normalerweise schon aus, um als Freak abgestempelt zu werden, aber keiner behandelte sie so.
    »Hast du die Kopien gemacht?«, wollte Sally nun wissen. Neben Jennas rauchdunkler Stimme wirkten ihre Worte wie Vogelgezwitscher. Und auch sonst war Sally das genaue Gegenteil von Jenna: klein, rötlich blond, mit Sommersprossen. Wenn sie mit Jungs sprach, die sie mochte, schraubte sich ihre Stimme noch eine Oktave höher. In Jays Gegenwart hörte sie sich an wie Minnie Mouse.
    Jay langte nach seinem Rucksack. Er legte den Stapel Arbeitsblätter auf den Tisch und Sally griff danach und begann sie auf dem Tisch zu sortieren. Geschichtsdaten und Jahreszahlen reihten sich vor Jay auf, das Ganze würde eine Art Referat mit Präsentation über die Sezessionskriege werden. Langweiliges Thema, aber darum war es ihm bei der Anmeldung gar nicht gegangen.
    Sein Handy begann anklagend zu surren. Eine neue SMS  – und gleich darauf eine zweite und eine dritte. Wenn Klingeltöne wütend klingen konnten, dann machten diese hier unmissverständlich klar, dass Charlie stocksauer war. Endlich hatte er das Handy in seiner Tasche gefunden und schaltete es hastig aus. Natürlich taten ihm die Mädchen nicht den Gefallen, darüber hinwegzugehen. Jenna und Sally starrten ihn mit unverhohlener Neugier an. Und sogar Madison hatte den Blick von ihren Aufzeichnungen gehoben und musterte ihn. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass ihre Augen ein wenig umschattet waren. Neben den sorgfältig geschminkten Gesichtern ihrer Mitschülerinnen wirkte ihres im gleißenden Licht sanft und seltsam entrückt.
    »Da will dich aber jemand dringend erreichen!« Jenna verschränkte die Arme und ruckte mit dem Kinn herausfordernd in Richtung Handy. »Deine deutsche Freundin?«
    »Nein. Das war nur meine Mutter.«
    Sofort hätte er sich am liebsten geohrfeigt. Verdammt, das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt? Und auch ohne Jennas feixendes Grinsen hätte er gewusst, wie das klang. Fehlte nur noch der Zahnspangenbehälter an einer Schnur um seinen Hals. Jede Wette, dass Alex keine Nachrichten von seiner Mom bekam. Und wenn, war er schlau genug, das für sich zu behalten.
    »Dann hast du gar keine Freundin?«, wollte Sally wissen.
    Vielleicht war es ein gutes Zeichen, dass Madison ihn nun ebenfalls fragend ansah. Obwohl ihre Miene unbewegt blieb, blitzte Interesse in ihren Augen
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