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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Autoren: Philip Tamm
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was?
    Innas Blicke sind keine Auszeichnung mehr. Eher ein Strafzettel.
    Dann fällt mir ein, wieso. Grillen. Haben wir letztes Wochenende auch schon gemacht, und an dem davor auch. Und, wenn ich mich richtig erinnere, in der Woche davor auch. War also doch nicht so toll, mein Vorschlag.
    Aberwarumeigentlichnicht?SchließlichistJuli,esistwarm,undwirhabenohnehinnichtsBesseresvor.AußerdemhabenwirnuneinmaldiesesHaus(warihrVorschlag),diesenGarten(ihrWerk)unddieseKinder(auchihreInitiative).Wassprichtalsodagegen,alldaszusammenzubringenunddenAbendhierintrauterGemeinsamkeitzuverbringen?
    Jetzt mal ganz davon abgesehen, dass die Aussicht auf Berge von Fleisch ohnehin das Einzige ist, was Julian möglicherweise dazu bewegen könnte, den heiligen Samstagabend hier zu Hause in der Familiengruft zu verbringen. So nennt er seit einiger Zeit sein Zuhause. Inna treibt es auf die Palme. Ich lache mich schlapp darüber, zumal ich in seinem Alter über mein Zuhause was ganz Ähnliches gedacht habe.
    I c h finde mich in einer handfesten Diskussion über den Verzehr von zu viel Fleisch und die klimaschädigende Wirkung der Verfeuerung von Grillkohle wieder.
    Das Praktische an dem Gespräch ist, dass wir es schon ungefähr dreitausendmal geführt haben. Ich weiß, was sie sagt, und sie weiß, was ich sage.
    Das ist einer der vielen Vorteile einer Ehe, neben komprimiertem Sex (kein Vorspiel, keine Komplimente, kein mühsames Wachbleiben danach) und dem Umsonst-Cappuccino bei Ikea, dank der Family-Card. Man kann viele Gespräche sozusagen per Autopilot führen, weil sie Rituale geworden sind, die man ohne Hilfe des Großhirns abspulen kann.
    Dachte ich jedenfalls.
    Plötzlich aber lacht Inna seltsam und kneift mich in den Oberarm. »Hörst du mir eigentlich zu?«, fragt sie.
    »Aber ja, Schatz. Immer.«
    »Und wieso sagst du dann, dass es gar keine Menschheit mehr geben würde, wenn Grillen wirklich so ungesund wäre, wie ich behaupte?«
    »Na ja, weil du es gerade eben behauptet hast! Und weil es halt keine Menschheit mehr geben würde, wenn du recht hättest!«
    »Ich habe aber gesagt, dass ich einverstanden bin mit deinem Vorschlag und dass du mir bitte ein Stück Fisch vom Supermarkt mitbringen sollst, das ich dann mit Kräutern und Butter in Alufolie packe und auf den Rost lege.«
    »Das hast du gesagt?«
    »Ja, Schatz. Und du wüsstest es, wenn du mir wirklich zuhören würdest.«
    I n na und ich sehen uns in die Augen und lachen. Und das erinnert mich an die Tatsache, dass vieles zwischen uns vielleicht wie in Millionen anderer Ehen ist. Aber vieles andere eben nicht. Das liegt daran, dass wir, sie und ich, nicht so sind wie Millionen andere.
    Natürlich gehen wir nach all den Jahren oft in den ehelichen Blindflug über, sprich, wir leben mit- und nebeneinander wie gut programmierte Roboter, die wissen, was sie zu tun haben. Und da spricht im Prinzip auch gar nichts dagegen, weil wir schließlich auch nur Menschen sind und Menschen nun einmal Rituale brauchen.
    AberdanngibtesebenimmerwiederdieseMomente,indenenwirunsganzandersfühlen,lebendigundgutundunternehmungslustig.Dannsehenwirunsanundsindüberrascht.Überraschtdarüber,dasswirsolangedurchgehaltenhabenunddieDingeimmernochsoverdammtgutsind.
    Oft nutzen Inna und ich diese Momente, um uns gemeinsam in ein Abenteuer zu stürzen. Wir schmeißen ein paar Dinge in eine Reisetasche, setzen die Kinder an der nächsten Autobahnraststätte aus und fahren ein paar Tage nach Schweden oder Italien (in Wahrheit bleiben Julian und Emma natürlich bei ihren Großeltern mütterlicherseits). Oder wir treffen uns mit Freunden, schießen uns mit Prosecco und Astra-Bier ab und lassen uns durch die Klubs und Kneipen von früher treiben – nur um festzustellen, dass die entweder nicht mehr da sind oder von selbstverliebten Anfangzwanzigern übernommen wurden. Oder wir organisieren uns spontan über die Redaktion, in der Inna arbeitet, ein paar Pressekarten für ein Konzert und hängen dann backstage mit irgendwelchen Stars herum. Die verknallen sich regelmäßig in Inna, weil sie zu den Frauen gehört, die mit jedem Jahr hübscher werden, das treibt mich in die Eifersucht, die ich nur dadurch besiegen kann, dass ich Inna ins nächste Hotelzimmer bringe, um dort das mit ihr zu machen, wovon wir immer dachten, dass man es nach soundso viel Jahren Ehe eben nicht mehr tut.
    Das ist der größte Unterschied zwischen mir und den meisten verheirateten Männern. Viele von ihnen können nicht zugeben, dass sie
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