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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Autoren: Philip Tamm
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haben. Das heißt, das Wort Spielen trifft die Sache eigentlich nur bei Emma. Unsere Tochter, die vor Kurzem ihren neunten Geburtstag gefeiert hat, planscht begeistert im Wasser herum und lässt ihre Plastiktiere so etwas wie Synchronschwimmen machen. Julian dagegen, der inzwischen siebzehn ist, liegt seit mehreren Stunden regungslos auf einer Matratze im Wasser, die Augen unter einer dunklen Sonnenbrille und die Ohren unter einem gigantischen Kopfhörer verborgen. Gelegentlich zuckt sein rechtes Bein, aber angesichts der Tatsache, dass er unter so etwas wie dem Restless-Legs-Syndrom leidet, wirkt er heute fast wie einbalsamiert.
    Der Junge hat ein eigentümliches Verhältnis zu sich und seinem Körper. Etwa neunzig Minuten am Tag stemmt er Gewichte an der Hantelbank und stöhnt dabei, als wolle er einen Porno synchronisieren. Und die übrigen zweiundzwanzigeinhalb Stunden des Tages verbringt er in absoluter Regungslosigkeit, sieht man einmal vom Bedienen diverser elektronischer Geräte ab.
    Ich bin gerade dabei, zum zweiten Mal in einen gemütlichen Samstagnachmittagsschlaf zu fallen, als mich Innas Stimme erneut aufschreckt.
    »Nicht wieder einschlafen, Schatz. Der Tag ist noch nicht vorbei.«
    »Das weiß ich doch, mein Engel. Aber tagsüber Schlafen macht nun einmal am meisten Spaß.«
    »Ja, aber lass uns vorher lieber überlegen, was wir heute vielleicht noch unternehmen wollen.«
    Ich überlege kurz und mache ihr dann einen Vorschlag, der mir gerade am attraktivsten erscheint: »Wollen wir nicht einfach zu Hause bleiben? Und gar nichts machen?«
    Ich gebe zu, dass das nicht gerade ein Kracher-Vorschlag ist. Schon gar nicht angesichts der Tatsache, dass ich mir früher lieber das Leben genommen hätte, als einen Samstagabend planlos zu Hause zu verbringen.
    Aber früher war früher. Und heute gibt es Satellitenfernsehen und T-Entertain mit einer Online-Datenbank, von der man Hunderte von Spielfilmen downloaden kann. Es gibt dieses Haus, in dem wir wohnen und das wirklich gemütlich ist und zum wochenendlichen Chillen einlädt. Ach ja, und es gibt diese perfekte Frau, die meine ist. Und wegen der es keinen Grund mehr für mich gibt, rauszugehen und irgendwem irgendetwas zu beweisen.
    Inna lächelt. Süß, aber mit eingebauter Säurekapsel. »Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest.«
    »Und ich habe geahnt, dass du es geahnt hast.«
    »Und ich … ach, vergiss es. Also los, wonach ist dir, Schlaffi? Kino? Freunde einladen? Fahrradtour? Essen gehen? Irgendetwas müssen wir machen, Schatz. Wir können nicht einfach nur hier rumliegen und die Zeit totschlagen!«
    Und ob ich kann. Ich bin Familienvater. Aber ich weiß auch, was sie darüber denkt. Inna will immer etwas aushecken, möchte etwas erleben, die Welt verändern oder wenigstens ins Kino gehen.
    Ein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Während bei uns Kerlen aus genetischen Gründen die Nebennieren ungefähr ab dem 40. Geburtstag kein Adrenalin mehr, sondern Valium produzieren, ist es bei Frauen umgekehrt. Sie wollen in jungen Jahren zu Hause bleiben und sich einen Wolf kuscheln. Und wenn wir Typen uns endlich damit abgefunden haben, überraschen sie uns plötzlich mit einer Unternehmungslust, gegen die selbst ein Weltumsegler wie Sir Francis Drake die reinste Couchpotato ist.
    Ich setze mich auf und bemühe mich ebenfalls um einen unternehmungsfreudigen Gesichtsausdruck. Mimikri – die Kunst, sich zu tarnen oder zu verstellen. Es gibt Falter, die können die Gestalt eines Asts annehmen. Falter, die wie Baumrinde aussehen. Und eben verheiratete Männer von Anfang bis Mitte vierzig, die so aussehen, als hätten sie Lust, etwas mit ihrer Familie zu unternehmen.
    Andererseits denke ich, dass dies der geeignete Zeitpunkt wäre, um Inna einfach mal wieder wirklich zu überraschen. Mit einem Vorschlag zu einer gemeinsamen Aktivität. Etwas wirklich Tolles, das mir auch Spaß macht. Ich denke kurz nach und habe dann zum Glück die zündende Idee. »Was hältst du denn davon, Engel, wenn wir heute Abend einfach ganz spontan grillen?«
    Ich sehe sie erwartungsvoll an. Treffer. Es gefällt ihr. Sie verleiht mir mit Blicken das Bundesverdienstkreuz am Bande. Dann räuspert sie sich und sagt: »Oh, das ist toll. Das ist wirklich mal was anderes, Schatz.«
    »Ja, finde ich auch. Super, oder?«
    »Alzheimer? Jetzt schon?« Genug Spott in den Augen, um eine Badewanne damit zu füllen.
    »Wiiesoo?«, frage ich gedehnt.
    Irgendetwas läuft schief. Aber
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