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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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ausreden! Warum verständlich, Hans?«
    »Nun — erstens: wir waren genauso. Für uns waren in dem Alter alle Menschen über Dreißig alte Leute. Vor allem aber vergeßt ihr immer wieder, daß so ein Kind wie ein kleines Tier ist, unverstellt egoistisch.«
    »Nenn es lieber brutal«, meint Addi und setzt sich.
    Die Mama hat eben den dritten Vermouth erledigt und sagt mit etwas schwimmenden Augen: »Als Kinder mußten wir immer die abgelegten Kleider unserer Mutter tragen. Sie waren für unsere Begriffe viel zu fesch und bunt, und in der Schule verspottete man uns, wenn wir in den bunten umgeänderten Kleidern kamen. Wir haben Qualen gelitten.«
    Niemand von uns weiß mit dieser Reminiszenz etwas anzufangen. Teddy gießt ihr einen weiteren Vermouth ein: »Schön, daß du solches Verständnis für kleine Mädels hast, Mami!«
    Sie sieht ihn etwas über Kreuz an, wird dann unruhig und steht auf: »Jetzt muß ich gehen!« Und als wir sie alle verblüfft wegen dieses zarten Übergangs ansehen: »Wenn ich noch kann!« Teddy ist sofort auf den Beinen: »Wir beide bringen dich ‘rüber, Mami, du brauchst keine Angst zu haben!«
    Sie schüttelt hartnäckig den Kopf. »Nein. Mein Hannes genügt mir. Schlaft schön.«
    Ich zucke die Achseln, verabschiede mich und bugsiere sie über den Trampelpfad bis zu unserm Haus hinüber. Dort bringe ich sie vorsichtshalber bis in ihr Zimmer. Sie dreht sich um und gibt mir einen Kuß: »Du mußt noch mit den Hunden ‘raus!«
    »Mach’ ich, mach’ ich. Und im übrigen, ich finde es auch sehr nett, daß du soviel Verständnis für die Mädels hast!«
    »Du bist ja nicht bei Trost! Wahrscheinlich ha... hast du wieder zuviel getrunken. Nicht geschenkt möchte ich die Jören...«

4

    Wie — was — was ist denn?
    Ach so, Morgen. Im Halbdunkel meines Zimmers bewegt sich eine schattenhafte Gestalt. Sie ist von etwas Dunklem umwallt und sagt »Au!«, als sie sich am Ablagetisch stößt, der vor meiner Couch steht. Jetzt reißt sie das Fenster auf, schlägt die Läden zurück und ist die Mama. Die Mama in ihrem ältesten Wintermantel, der in der Familie >Sack und Asche< genannt wird und ihr zu tragen von Frauchen streng verboten ist, weil sie die Familie damit blamiert.
    Sie hat bereits zwei neue Wintermäntel als Ersatz bekommen, versteht es aber immer wieder, den alten Mantel vor unseren Verfolgungen zu retten, um heimlich damit ihre Lieblingsrolle zu spielen: arme Frau muß arbeiten und leichtsinnige Kinder vor dem Verkommen retten, verkommt aber dabei selbst.
    Ich gähne laut, dito Weffi, der neben mir liegt und dabei die vier Beine in die Luft reckt. Von nebenan kommt Cocki — ebenfalls noch total verpennt — und macht hinter dem Rücken der Mama Kniebeugen. Die rafft ächzend ein Paar Strümpfe vom Teppich auf.
    »Laß doch«, sage ich, »das mache ich nachher.«
    »Ja — du! Das kenne ich. Die liegen übermorgen noch da.«
    Ich gähne nochmals: »Sehr unwahrscheinlich. Da ich ja schließlich nicht ohne Strümpfe ‘rumlaufen kann und sie nachher anziehen muß. Was ist denn für Wetter?«
    »Es hat wieder geschneit. Ich habe schon Schnee geschippt. Frau Seldes (Inhaberin des Lebensmittelladens am Ortseingang) kam vorbei und sagte: >Mein Gott, Mami Bentz, daß Sie das mit Ihren zweiundachtzig Jahren noch machen müssen! Und elend ausschauen tun’s, zum Umblasen!<«
    Ich schwenke die Beine aus dem Bett und kratze mir den Kopf: »Erstens hätte ich jetzt gleich den Eingang freigeschippt...«
    »Hätte — wenn ich das höre!«
    »... und zweitens ist das kein Wunder, wenn du wieder in Sack und Asche läufst! Zieh das sofort aus, oder ich zerschneide es zu Polierlappen!«
    Ich wanke ins Bad und höre noch hinter mir, wie sie die Tür zur Veranda aufreißt. »Raus mit euch beiden!« Kurz darauf Wef-fis gellendes Morgengebell.
    Als ich zum Frühstück nach oben komme, stelle ich fest, daß der Frühstückstisch auf irgendeine mysteriöse Weise trostlos aussieht. Butter im Papier, Marmelade in einem angeklopften Finkennäpfchen, der Kaffee selbst: Original Bliemchen. Die Mama davor in der feuchten Schürze, seufzend und tragischen Blicks in das schneeleuchtende Alpenrund starrend, das man vor dem Fenster sieht. Nur Weffi und Cocki, die mit erwartungsvoll angelegten Ohren zu ihren beiden Seiten sitzen, sehen optimistisch aus und haben Bäuche wie Trommeln.
    Ich hole die Butterdose und haue die Butter aus dem Papier ‘rein, organisiere aus der Speisekammer noch ein Glas Gelee und feuere
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