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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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aschblonde Haar des Vaters. Sie trägt es straff nach hinten gekämmt und wirkt auf den ersten Blick sehr stolz und unnahbar. Dieses Äußere ist jedoch, genau wie beim Vater, eine täuschende Fassade, denn Susanne, die gerade die Freuden junger Liebe entdeckt, ist dem anderen Geschlecht gegenüber — um einen der poetischen Ausdrücke ihrer Mutter zu gebrauchen — gutmütig wie eine Kuh. Man könne — pflegt Addi zu sagen — froh sein, wenn man sie baldmöglichst und einigermaßen unbeschädigt unter die Haube brächte.
    Margot, ihre jüngere Schwester, ist molliger, kleiner und hat wie die Mutter große, runde, braune Kulleraugen. Ihr braunes Haar trägt sie zu einem Zottelkopf geschnitten, und unter dieser widerspenstigen Schädelmatratze arbeitet ein verdammt klares und zielbewußtes Hirn präzis wie die Maschinen, die ihr Vater verkauft. Irgendein tieferes Interesse am anderen Geschlecht ward bisher an ihr noch nicht entdeckt.
    Beide Mädels besuchen die Oberschule der benachbarten Stadt und in ihr die gleiche Klasse, da Susanne infolge ihres wildbewegten Innenlebens gezwungen war, die siebente Klasse zu repetieren. Auch jetzt noch ist sie sich über Kegelschnitte und unregelmäßige englische Verben ebenso sehr im Zweifel wie über ihre Gefühle und muß immer wieder die herablassende und ziemlich ungeduldige Hilfe der Schwester in Anspruch nehmen. Gibt es zwischen den beiden Krach, so wendet sich Susanne wegen des Englischen an mich. Leider nützen ihr meine Sprachkenntnisse nicht viel, da ich sie aus amerikanischen Detektivromanen schöpfe, deren kraftvoller Stil mich begeistert. Als ich ihr neulich einen Aufsatz geschrieben hatte — meiner Ansicht nach einer der besten und lebendigsten Aufsätze, die je in Englisch geschrieben wurden —, gab ihr die Lehrerin einen Brief an die Eltern mit. Diese möchten — so riet die humorlose Person — auf ihre Tochter achtgeben. Offenbar sei dieselbe zu ihren sonstigen sattsam bekannten Schwächen neuerdings auch noch mit einem Chicagoer Gangster befreundet...
    Und da wir gerade vom Amerikanischen sprechen, muß ich erwähnen, daß ich von beiden Mädchen seit dem vorigen Winter >der genannt werde. Früher hieß ich ganz normal >Onkel Hansi<, aber eines Abends kamen sie aufgeregt aus einem Film und erzählten, durcheinanderzirpend wie zwei kleine Schwalben, darin sei ein Colonel aufgetreten, >einfach toll — so was mit etwas grauen Schläfen, wie Onkel Hansi<... Und seitdem heiße ich bei ihnen >der Colonel<.

    So, und da wären wir an unserem Garten angelangt. Ich gebrauche mit Absicht »den Garten« in der Einzahl. Ursprünglich waren es nämlich zwei Gärten, ebenso klein wie unsere Häuser. Eines Tages aber verheizten wir kurz entschlossen den Trennungszaun und gewannen auf diese Weise einen ganz netten gemeinsamen Garten — ein Vorgang, der Anlaß zu einer Familienfeier voll alkoholischer Rührung wurde. Natürlich hatte diese Gemeinsamkeit, wie alles im Leben, auch ihre Kehrseite. Mein Cocki zum Beispiel interessiert sich sehr für Addis gelegentliche Anfälle von gärtnerischem Ehrgeiz. Er pflegt mit gerunzelter Stirn und vorgeschobenen Riesenohren aufmerksam zuzuschauen, wie sie im Frühling den Boden aufgräbt und irgendwelche Blumenzwiebeln in die Erde bettet. Kaum hat sie den Rücken gekehrt, gräbt er mit seinen dicken Tatzen nach, holt die Zwiebeln wieder heraus, beschnüffelt sie und wendet sich dann mit einem Ausdruck melancholischer Verachtung in seinen goldenen Löwenaugen ab: >Wieder mal typisch für diese Menschen, solchen Quatsch vergraben. Als ob es Knochen wären!<
    Dafür geschieht es, wenn ich an einem Sommerabend noch einen Gartenrundgang machen möchte, daß ich von der einzigen Bank unseres Gemeinschafts-Grundstücks ein Geflüster und Gekicher höre und im Schein einer glimmenden Zigarette das leicht aufgeweichte Antlitz Susannes erblicke. Worauf ich mich dann unwillig, aber diskret entschließe, meinen Verdauungsmarsch außerhalb der Liebesbannmeile zu erledigen...
    Trotz dieser kleinen Unbequemlichkeiten halten wir jedoch an unserem gemeinsamen Garten fest. Der verheizte Zaun ist für uns so etwas wie ein Symbol unserer Wahlverwandtschaft, und diese ist uns allen allmählich sehr teuer geworden, viel teurer, glaube ich, als uns so gemeinhin bewußt ist.
    Ich öffne die Tür und wandele nachdenklich über den Kies der Garageneinfahrt meinem Hause zu. Während ich mir in der Diele die Füße abputze, ruft die Mama von oben: »Ist da
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