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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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anzuknipsen, und versinke dann wieder in meine Arbeit. Und dann, als ich gerade fertig bin und mir die Brille müde auf die Stirn geschoben habe, tut sich die Tür auf. Ich lasse die Brille wieder herunterfallen und erblicke die Mama in ihrem guten schwarzen Kleid mit dem alten goldenen Halsband, das bei uns die >Gänsegurgel< heißt. Darunter trägt sie die große Brosche mit dem heiligen Georg, und darüber ist das Gesicht ein einziger Vorwurf:
    »Es ist halb sieben!« sagt sie. »Die beiden drüben sind schon seit fünf Uhr zurück, und du sitzt immer noch im Räuberzivil!«
    »Ja — ich denke, du willst nicht mitkommen?«
    »Nicht mitkommen! Schließlich sind es doch unsere Nachbarn, und wir sind auf sie angewiesen. Wenn ich mit meinen zweiundachtzig Jahren...«
    »Na schön«, sage ich, »gehen wir.«
    Als wir drüben ankommen, ist dicke Luft. Addi steht mit gerunzelter Stirn in der Küche neben ihrem Mix, der auf vollen Touren läuft, aber offenbar schon seit längerer Zeit nichts Flüssiges mehr von sich gibt, ohne daß sie es bemerkt. Als wir den Kopf in die Küche stecken, wacht sie auf, stellt den Mixer ab: »‘n Abend, Mami, ‘n Abend, Hannes.« Ihr Gesicht belebt sich: »Ach, wir haben ja so schön eingekauft, ihr werdet staunen!«
    Hinter meinem Rücken, im Mädchenzimmer, ist die ziemlich laute Stimme Teddys vernehmbar. Gleich darauf fährt er mit hochrotem Gesicht aus der Tür: »Da seid ihr ja! Entschuldigt. Ich hab’ den beiden jungen Damen da drin mal die Meinung gesagt. Wir kommen vorhin nach Hause — alle Fenster auf, daß uns die Zähne klappern! Und stinkt trotzdem noch nach kaltem Rauch! Hat wieder der Verein getagt! Haben uns anscheinend zu spät gehört, die Herren, und sind hinten zum Fenster Taus. Fensterbretter zerkratzt, Zigarettenstummel in die Blumentöpfe gedrückt — und sieh dir nur den Teppich im Wohnzimmer an! Und den Fußboden nebenan im Büro! Die Lauser haben es anscheinend nicht nötig, sich die Füße abzukratzen, ehe sie ‘reinkommen.«
    Die Mädchenzimmertür öffnet sich abermals, und es erscheinen tief gekränkt die jungen Damen. »Sie haben sich die Füße sehr wohl abgekratzt«, sagen sie im Chor.
    »Und wenn ihr glaubt«, donnert Teddy, »daß ihr noch obendrein die Lippen bis auf die Knie hängen lassen müßt, dann werde ich euch mal zeigen, daß ihr noch dumme Jören seid, indem ich euch nämlich beide übers Knie lege!«
    Die Sünderinnen klappern hoheitsvoll mit den Augendeckeln, schießen hilfesuchende und empörte Blicke teils auf mich, teils auf Addi, die in die Küchentür getreten ist und sich die Hände abtrocknet, beschließen dann aber doch, die Lippen vorsichtshalber wieder hochzuraffen. Addi betrachtet sie ohne wesentliche Sympathie: »Margot, hast du schon Vatis Schuhe geputzt? Dann aber schnell! Und du, Susanne, gehst ‘runter in die Heizung und schüttest noch tüchtig nach, daß es schnell wieder warm wird.« Und zu uns: »Kommt ins Wohnzimmer.«
    Wir wandern zu viert ins Wohnzimmer. Dort lassen die Mama, Teddy und ich uns nieder. Addi verschwindet im Schlafzimmer und raschelt dort mit Papier. Teddy gießt der Mami einen Vermouth ein und macht für uns beide eine Cognacflasche auf. Dann stellt er Teegebäck, Nüsse, Salzstangen und Konfekt auf den Tisch.
    »Danke«, sagt die Mama, »wir haben schon gegessen.« Worauf sie das Schüsselchen mit dem Konfekt in Angriff nimmt. Teddy schenkt mir einen Cognac ein und grinst mich an: »Hast du gesehen, wie schnell die beiden jungen Damen ihre Gesichtszüge wieder umrangiert haben? Wie viele von den Bürstenköpfen waren’s denn diesmal?«
    »Vier!« sagt die Mama.
    »Das langt ja.«
    »Besser als zwei«, sage ich. »Bei vieren passiert bestimmt nichts.«
    »Und warum soll man ihnen nicht das bescheidene Vergnügen gönnen, mal ‘n bißchen zu tanzen und ‘n paar Glimmstengel zu rauchen? Besser, sie treffen sich in ‘ner netten Häuslichkeit, als daß sie auf den Straßen ‘rumstehen und dumme Streiche machen.«
    »Harmes hat ganz recht«, sagt Addi von der Tür her. »Im Grunde sind es zwei liebe und leicht zu lenkende Kinder.«
    Ich wundere mich einen Augenblick über die nachdrückliche Betonung in ihren Worten und den bedeutsamen Blick, den sie dabei auf Teddy wirft, vergesse es aber sofort wieder, denn sie steht da in einem feschen Wintermantel, Kragen hochgeklappt, schön wie ein Bild. Die Mama ist sofort auf den Beinen und befühlt den Stoff. Dann knöpft sie ihr den Mantel auf und
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