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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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Judiths und mein Zimmer nebeneinander. Später, auf Grund gewisser unklarer nächtlicher Geräusche, legte Tante Lisi ihre Wirtschafterin, die >freudlose Magda<, in ein Zimmer zwischen uns. Sie übersah dabei, daß es einen durchlaufenden Balkon vor der ganzen Etage gab. Allerdings waren die Balkonteile der einzelnen Gästezimmer durch hohe Zwischenwände gesichert. Aber ich entwickelte ungeahnte akrobatische Fähigkeiten, indem ich mein Geländer überkletterte, mich an dem Magdaschen Zimmer vorbeihangelte und bei Ankunft in Judiths Bereich mit Anstrengung aller Kräfte über ihr Geländer schwang. Dabei kam uns zugute, daß unser Wächter schnarchte und uns damit anzeigte, wann die Luft rein sei.
    Aber so rein war sie wiederum nicht. Eines Abends, als ich mit Onkel Alex vor dem Kamin saß, sagte er, während er umständlich eine Banderole von seiner Zigarre löste: >Komische Sache heute nacht erlebt! Wollte das Fenster zumachen, weil der Sturm aufkam, und was sehe ich? Zwei Füße, in Socken! Wandern über den Himmel! Doll, was?< Er warf mir einen kurzen Blick zu und nestelte dann wieder an seiner Zigarre: >Du hast ihn wohl kaum bemerkt, den Sturm. Den draußen, meine ich.<
    Von da an verlegten wir unsere Schäferstündchen, soweit das Wetter es zuließ, in die Felsenmulde, die auf diese Weise eine neue Weihe empfing. Marion hatte ich einen Abschiedsbrief geschrieben und hielt es natürlich für ausgemacht, Judith so bald wie möglich zu heiraten. Wir hatten besprochen, daß ich gleich nach unserer Rückkehr in die Stadt bei ihren Eltern Besuch machen würde, und stellten uns die Zwischenzeit bis zu unserer Heirat — wenn auch etwas eingeschränkt durch Pflichten und Schule — als eine Fortsetzung unserer seligen Schmetterlingsgaukelei vor.« Ich sehe mich wieder im Musikzimmer in den tiefen Sessel versunken, Judith am Klavier, sie liebt Beethoven wie ich. Ich sehe mich mit ihr unten in Erzberg beim Tanzen, ein einsames, ineinander verschmolzenes Paar, dem die Umwelt nur traumhafte Kulisse ist. Ich sehe mich mit ihr in der Felsenmulde, ihre Lippen, ihren Körper, den Himmel darüber, der so unendlich hoch scheint, viel höher als sonst, sehe mich allein in meinem Zimmer, die Glut dieser Stunden in endlose Gedichte ergießend. Ich spüre unsere Füße, unseren gemeinsamen Schritt auf dem federnden Waldboden, sehe sie — eine braune Venus — vom Sprungbrett fliegen und wie eine Seelöwin das Wasser durchschneiden.
    Dann gerät die Vision ins Wanken. Margot hat mich etwas gefragt, und wie ich sie anschaue, verschmilzt abermals, wie an jenem Faschingsabend, ihr Bild mit dem Judiths. Und plötzlich packt mich der bittere Schmerz des Alterns, des Nicht-mehr-dazu-Gehörens, des unwiderruflich Verloren-Seins: »Was hast du gesagt, mein Kind?«
    Sie errötet, ohne ihren Blick von mir zu nehmen: »Ich meine — hattet ihr denn keine Angst, daß ihr ein Kind bekommen würdet — vor der Zeit?«
    »Ein Kind? Das brauchten wir nicht zu befürchten. Denn trotz aller Leidenschaft kam es nie zum Allerletzten zwischen uns.«
    In ihren Augen ist Verblüffung, und ich merke, wie auch Buddy an meiner anderen Seite eine unwillkürliche Bewegung macht.
    »Wieso nicht?« fragt sie. »Dann hattest du sie vielleicht doch nicht so richtig lieb, wie du glaubtest?«
    »Doch, mein Kind, das hatte ich. Wenn mir damals jemand gesagt hätte: Spring von einem Turm, um sie zu retten, oder laß dir die Glieder einzeln abhacken — ich hätte es ohne Besinnen getan. Das — was dich wundert — geschah gerade aus dieser Liebe zu ihr. Daneben — ich will mich nicht besser machen, als ich bin — war es auch Angst vor den Eltern, vor der Schule, vor einem Skandal. Aber selbst wenn ich mich heute mit aller Strenge prüfe, möchte ich behaupten, daß das erste Motiv überwog.«
    Ich merke, wie zwischen den beiden jungen Menschen wieder ein Blick hin und her geht. Margot scheint noch nicht einverstanden: »Und Judith?«
    »Ihr wäre es ganz egal gewesen.«
    »Habt ihr darüber gesprochen?«
    »Nein, damals nicht.«
    »Und was wurde aus euch?«
    »Nicht viel Gutes, Margot. Plötzlich waren nur noch drei Tage übrig, drei Tage und drei Nächte, verzweifelte Nächte, denn wir ahnten wohl beide, daß es nicht so einfach werden würde. Und es wurde auch nicht einfach. Nach unserer Rückkehr in die Stadt legten sich Judiths Eltern sofort quer. So entschieden und so verletzend, daß sich nun wiederum der Stolz meiner Familie empörte. Unsere Zusammenkünfte
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