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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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waren flüchtig und voller Qual, bei irgendeinem Freund für eine kurze Stunde, während sie angeblich Klavierunterricht hatte. Wir setzten unsere ganze Hoffnung auf einen Ball, zu dem sie mir eine Einladung verschafft hatte. Als es so weit war, bekam ich eine Mandelentzündung...«
    Die weiße Welt um mich versinkt abermals. Ich stehe wieder auf dem offenen Hinterperron der Straßenbahn, zähneklappernd vor Frost und Fieber und dennoch fest entschlossen, dies einemal die eitrige Angina, die mich damals so häufig befiel, niederzuringen. Da ist wieder der Ballsaal, strudelnd in hundert Farben und Lichtblitzen, da ist sie — die unendlich Geliebte und Ersehnte — hervorschwebend aus dem Fieberspuk, die dunkle, süße Qual unseres Tanzes — ihre Augen — ihre Augen — ihr Kuß auf meinen fieber-zerrissenen Lippen — und dann der Tango, der Abschiedstango...
    »Es folgten diesem Ball zwei Jahre endlosen, sinnlosen Sehnens. Dann Judiths Brief, daß sie es nicht länger ertragen könne. Ich solle sie vergessen.
    Vergessen! Ein weiteres Jahr später. Ich bin ausgelernter Journalist. Vollredakteur. Gestern dazu ernannt, mit doppeltem Gehalt. Jetzt könnte ich sie ernähren, könnte ihren Eltern gegenübertreten. Ich schreibe ihr — keine Antwort. Vielleicht hat man meine Briefe unterschlagen. Wahrscheinlich sogar. Ich schütze eine wichtige Konferenz vor, fahre zu ihr hinaus. Aber als ich mich der protzigen, selbstsicheren Wucht ihres Elternhauses nähere, entschwindet mir der Mut. Ich stelle mich hinter einen Baum, beobachte das Haus, beobachte und hasse, hasse ihre Eltern, daß mir schwarz vor den Augen wird. Es war eines der ganz wenigen Male in meinem Leben, in denen ich wirklich gehaßt habe. — Dann schleiche ich mich an den hohen Büschen entlang, komme zu einer Garageneinfahrt. Plötzlich ist der Blick frei — dringt in die Tiefe des Grundstücks. Und dort, auf einem Tennisplatz — spielt sie, mit irgendeinem eleganten Tagedieb. Ich sehe ihre weiße Gestalt über den rötlichen Sand fliegen, ich erinnere mich ihrer Lippen, ihrer Arme, die jetzt hinter dem Schläger schwingen — ich entsinne mich —. Es schüttelt mich, als ob ich hohes Fieber hätte.
    Dann ist da hinten die Partie zu Ende. Ich höre ihr heiseres, tiefes Lachen, ich weiche hinter das Gebüsch zurück, denn nun kommt sie Arm in Arm mit dem Kerl auf mich zu. Jetzt erst bemerke ich den roten Sportwagen, der in der Einfahrt steht. Der Motor springt an. Ich sehe die beiden durch das Gebüsch nur wie in tausend kleinen Scherben. War das nicht ein Kuß? Warum auch nicht — Herr Redakteur? Glauben Sie vielleicht, ein Mädchen wie dieses legt sich Ihretwegen jahrelang auf Eis? Dann ist der Wagen fort, und wie sie ihm noch einen Moment nachschaut, trete ich vor.
    Sie erkennt mich sofort, erschrickt, sieht sich nach dem Haus um. Dann kommt sie auf mich zu, packt meinen Arm, zieht mich außer Sichtweite hinter den Busch. Widerstrebend lasse ich es geschehen: >Hast du meine Briefe bekommen?<
    Ihr Auge weicht mir aus, füllt sich mit Tränen: >Ja.<
    >Ja? Und warum hast du mir nicht geantwortet?<
    Sie kämpft wie eine Verrückte, um irgend etwas Vernünftiges zustande zu bringen. Die Knöchel ihrer Hände, die den Schläger vor die Brust drücken, sind weiß: >Es hat keinen Zweck, Hannes — es hat keinen Zweck... ich kann es nicht wieder ertragen...<
    >Aber du bist volljährig, wir können...<
    »Nein — nein...!< Wirft den Schläger über die Hecke, fällt mir um den Hals, küßt mich — dreht sich um und rennt zurück — weg, für immer. Ich weiß es nun.
    Ich glaubte, es zu wissen. Aber so einfach war es nicht. Wieder zwei Jahre später verlobe ich mich, und diesmal war es ernst. Am Tag nach meiner Verlobung wurde mir Judith in der Redaktion gemeldet. Minutenlang starrte ich auf den Anmeldezettel, bis sich der Bote räusperte. Ich verachtete mich, weil sofort wieder alles in mir losbrach. Der alte, schreckliche, süße Zauber... >Ich lasse die Dame bitten.<
    Während ich auf sie wartete, hatte ich ein Gefühl, als reiße mein ganzes Selbst von oben bis unten auseinander wie ein mürbes Tuch. Dann ist sie da, vor mir, leibhaftig in meinem Zimmer. Ich kann gerade noch hinter ihrem Rücken die Tür verriegeln, ehe sie mir um den Hals fliegt. Derselbe Kuß, dieselben vollen wilden Lippen, dieselben Augen. Noch schöner sogar, wie sie mich ansehen, in der alten Mischung von Zärtlichkeit und leisem Spott. Etwas voller die Figur, fraulicher —
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