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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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Marion?<
    Ich kletterte aus dem Bett und holte es aus der Brieftasche. Sie ließ die Lorgnette aufspringen, die sie an einer langen Kette um den Hals trug, und betrachtete das Bild sehr aufmerksam: >Ein schönes Mädchen! Ein klassisches Profil! Und diese schönen dunklen Haare, eine ganze Krone!<
    >Sie reichen ihr bis über die Knie, wenn sie sie aufmacht<, sagte ich.
    Tante Lisi stutzte einen Augenblick, mußte sich wohl mit der Tatsache zurechtfinden, daß ich nicht mehr der kleine Steppke war, als den sie mich in Erinnerung hatte: >Na, du bist ja mit ihr verlobt<, meinte sie. >Wie alt ist sie denn?<
    Jetzt geriet ich in Verlegenheit: >Neunzehn.<
    Die blassen Augen sahen mich nachdenklich an: >Dann ist sie ja etwas älter als du! Nun, auch das kann eine glückliche Ehe geben. Vorläufig bist du ja noch ein... na ja, jedenfalls ist sie sehr reizend. Gute Nacht, mein Kind!< Sie küßte mich auf die Stirn und rauschte aus dem Zimmer.
    Ich sah mir noch eine Weile Marions Bild an, dann drehte ich das Licht aus, horchte auf den Bach, der unten vom Tal her murmelte, und war im nächsten Moment eingeschlafen.

    Als ich am nächsten Morgen aus meinem Fenster sah, entdeckte ich gerade gegenüber meinem Zimmer auf der anderen Seite des Baches einen kleinen Felsen, der sich grau aus der Blumenwildnis des Abhangs erhob. Er war nicht sehr hoch, vielleicht achtzig oder hundert Meter, aber es war der einzige Felsen weit und breit und deshalb für mich von Anfang an mit einem romantischen Zauber umgeben. Er wurde für die nächsten Tage mein Lieblingsplatz. Oben war eine kleine Mulde mit weichem Moos ausgepolstert, große, grüne Eidechsen huschten über den grauen Stein, und wenn ich mich auf den Rand setzte und die Füße in die Tiefe baumeln ließ, konnte ich weit über das Land hin träumen. Meist aber lag ich in der Mulde selbst, döste, beobachtete die Eidechsen und erlebte mit innigem Entzücken, wie sich bald ein Falter, bald eine große, smaragdene Libelle auf mir niederließ.
    Ich las auch viel dort oben, alte chinesische Philosophen und die Upanischaden, die ich in Onkel Alex’ Bibliothek entdeckt hatte. Onkel Alex und Tante Lisi sorgten sich rührend um mich und machten auch häufig kleine Ausflüge in die Umgebung, um mir die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Aber immer war ich froh, wenn ich wieder in meiner Felsenwanne liegen konnte. Es waren ein paar der glücklichsten, stillsten und tiefsten Wochen meines Lebens.
    Mit einer Art Panik dachte ich daran, daß diese Tage meiner Einsamkeit unerbittlich dahinrannen.

    Und dann kam er, der gefürchtete Donnerstag. Wie um mir einen Vorgeschmack zu geben, goß es in Strömen, als wir am späten Nachmittag Judith von der Kleinbahn abholten. Der Zug rollte ein, etwas ziemlich Großes, Langbeiniges im Trenchcoat und einem unmöglichen Hut, den es tief in die Augen gezogen hatte, stieg aus. Darunter sah man nur einen großen Mund mit wulstigen, leidenschaftlichen Lippen. Das Etwas wurde von Tante Lisi und Onkel Alex gebührend umarmt, dann stellte man mich vor, ich machte eine weltmännisch-lässige Verbeugung, worauf es mir die Hand entgegenstreckte und mit tiefer, etwas heiserer Stimme sagte: >...und freuen wir uns sehr!<
    Ich war angenehm überrascht. Wenigstens schien sie Witz zu haben.
    Daheim verkrochen Onkel Alex und ich uns in die Klubecken vor dem Kamin und genehmigten uns einen ziemlich steifen Cognac-Soda, während das Etwas von Tante Lisi und Haushälterin Magda umflattert und in den ersten Stock bugsiert wurde. Diener-Chauffeur Willkens mit zwei Koffern hinterher, unter denen er merklich ächzte.
    Onkel Alex blinzelte mir zu: >Na, sehr schlimm?<
    Ich zog mit dem ganzen Snobismus meiner achtzehn Jahre die Mundwinkel herunter: >Ziemlich. Ist es etwa obendrein noch ein Blaustrumpf?<
    Onkel Alex stellte überrascht sein Glas hin: >Blaustrumpf? Judithchen? Im Gegenteil, möchte ich fast sagen.<
    Er klemmte aus irgendeinem Grunde das Monokel ein und hatte plötzlich einen verwegenen Zug im Gesicht: »Wir waren alle heilfroh, als sie sich mit diesem... diesem... na, ich weiß nicht, wie er heißt — verlobte.«
    Ich übte mich weiterhin im Mundwinkel-Herunterziehen und bedauerte, nicht auch ein Monokel zur Hand zu haben: >Muß ja ein ziemlicher Goldfisch sein, eure Judith, daß er sie genommen hat!<
    Abermals schien Onkel Alex überrascht: >Das mit dem Goldfisch stimmt, aber... hältst du sie für häßlich?<
    >Das, was ich bisher sah, war nicht gerade ermunternd.<
    Er
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