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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump
Autoren: Hans G. Bentz
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ein dunkles Wissen — ein — ich kann es nicht aus-rücken. Sie lehnt am Geländer, und der leichte Abendwind bewegt die äußersten ihrer Haare, die goldbraun auf leuchten: >Sie sind verlobt — Goethe?<
    >Ich — hm — ja, das heißt...<
    Sie nickt: >Das genügt mir. Wo wollen wir jetzt hin?<
    >Hier auf den Felsen. Es führen ein paar Stufen hinauf, mit Geländer.<
    >Haben Sie Angst, daß wir ‘runterfallen?<
    >Vor dem Runterfallen nicht.<
    >Kann man denn auch aufwärts fallen?<
    >Im Augenblick ist mir so, als ob man’s könnte.<
    Sie lacht nervös. Ich sage, während mein Herz wie unsinnig klopft: >Sie sind doch auch verlobt!<
    >Ich war.<
    Ich bleibe stehen — und mein Herz beinahe auch: >War?!<
    >Ja<, erklärt sie beiläufig. >Bis sich herausstellte, daß der junge Mann Morphinist ist.< Sie liest in meinen Augen, scheint etwas zu sehen, was sie amüsiert, und meint: >Ich habe ihn sowieso nicht sehr gemocht. Es war eine Entdeckung von Papa: der Sohn unseres Bankiers. Es wäre so bequem gewesen. Man hätte die ganze Finanzierung sozusagen in der Familie erledigen können.<
    Schließlich stehen wir oben im warmen Wind. Die Felder unter uns sind schon abgeerntet, die Hügel am Horizont liegen in violetten Tinten, und darüber hat der Sonnenuntergang den Himmel rostrot aufgerissen. Sie wendet sich mir zu. In ihren Augen brennt der Sonnenuntergang:
    >Wenn Tante Lisi wüßte, daß ich nicht mehr verlobt bin...<
    Da liegt sie schon in meinen Armen. Kein Wort wird zwischen uns gesprochen. — Als die Kirchenuhr das Viertel schlägt und ich flüstere: >Wir müssen ja zurück!< sagt sie: >Wie heißt du eigentlich mit Vornamen?<
    >Hans.<
    >Na, da finden wir schon noch was anderes.<«
    Ich stolpere über einen noch vereisten Stein, und das bringt mich in die Gegenwart zurück. Wo bin ich denn? Aha, wir umgehen gerade den kleinen Sumpf mit den Birken. Die beiden zu meinen Seiten wechseln einen Blick, Margot preßt meinen Arm: »Mach weiter, Colonel, schnell — was sagten die im Haus?«
    »Die im Haus? Na, unser Glück muß uns meilenweit aus den Gesichtern geleuchtet haben, und es bedurfte nicht erst des Umstandes, daß wir uns duzten, um die Tatsache zu enthüllen, daß irgend etwas zwischen uns passiert war. Tante Lisi war darüber auf das tiefste bestürzt, während Onkel Alex sein Gesicht nicht vom Teller hochbekam, weil er offenbar nicht wollte, daß man das Schmunzeln unter seinem eisgrauen Schnurrbart sah. Tante Lisls Augen fuhren zwischen uns hin und her, während Judith höflich vom Ergehen ihrer Eltern berichtete, und hefteten sich dann mehrfach hilfesuchend, aber ergebnislos auf ihren Mann. Schließlich wandte sie sich an mich: >Hast du Onkel Alex schon das Bild von deiner Verlobten gezeigt?< Und zu Judith, sehr nachdrücklich: >Ein wunderschönes, sehr feines Mädchen!<
    Ich hätte sie umbringen können in diesem Moment. Aber dann spürte ich Judiths Knie, das sich gegen mich drückte. Ich holte die Brieftasche heraus und reichte das Bild Onkel Alex. Er klemmte sich das Monokel ein: >Wirklich sehr hübsch!< Ein kurzer, forschender Blick folgte, als er mir das Bild zurückgab. Ich saß da mit dem Foto in der Hand und wäre am liebsten damit in die Erde versunken.
    Aber wieder rettete mich Judith. Sie streckte die Hand aus: >Darf ich’s auch sehen?<
    >Wie? Ach so — ja, selbstverständlich.<
    Sie studierte es lange und ausführlich und gab es mir dann mit einem freundlich-konventionellen Lächeln zurück: >Das ist kein hübsches Mädchen, das ist ein schönes Mädchen!< Tante Lisi war offensichtlich verwirrt: >Ja, nicht wahr?< murmelte sie. >Klassisch schön.<
    Judith nickte und wandte sich dann zu mir: >Direkt klassisch!< erklärte sie, während tausend Kobolde in ihren Augen tanzten.
    Tante Lisi konnte sich nicht verkneifen, einen hörbaren Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Offenbar glaubte sie, sich getäuscht zu haben. Aber da war noch ein letztes Problem für sie. Sie drohte uns mit dem Finger: >Ihr habt euch ja schnell geduzt!<
    >Ja<, erklärte Judith fröhlich, >wozu die Umstände? In ein paar Tagen hätten wir’s sowieso getan. Sportskameraden, sozusagen.<
    Der Rest des Abends verlief in vorsichtiger Harmonie.
    Was nun folgte, war — wenigstens für mich — ein Sturm, der alles früher Erlebte mit den Wurzeln ausriß, und Judith gab sich meinem Traum hin, als habe sie nur auf ihn gewartet. Die arme Tante Lisi stemmte sich vergeblich diesem Urgeschehen entgegen. In den ersten Tagen lagen
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