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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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schwanger zu werden. Das eine haben wir laut gesagt, das andere haben wir uns gedacht.
    Wir bekommen ein Zweibettzimmer, in der Tat, aber wir sind zu dritt. Don Juan war allem Anschein nach nicht vorbereitet gewesen auf so viele Mädchen.
    Die dritte im Bunde ist Wiebke. Wiebke ist eine Art Chamäleon. Der dunkelbraune Teddy, der an ihrem Rucksack baumelt, ist neben der bunt gescheckten Reisetasche das Einzige, was sich von der beigefarbenen Tapete abhebt, vor der sie gerade steht und uns versöhnlich anlächelt. Aber so was denkt Marie. Nicht ich.
    »Rotationsverfahren«, beschließt Jule, als sie einen Blick auf das Doppelbett und die klaffende Ritze zwischen den beiden Matratzen geworfen hat.
    »Wer fängt an?«, frage ich.
    »Wir knobeln!«, schlägt Jule vor, stellt sich sogleich Wiebke in den Weg und hält ihr die geballte Faust vor die Nase. »Schere, Stein, Papier.«
    Wiebke gewinnt die erste Runde, doch dann verliert Jule – den Göttern sei Dank – ihren Stein gegen mein Papier.
    »Pech im Spie l …«, seufzt sie und sieht mich vielsagend an. »Außerdem penn ich heut Nacht eh nicht hier.«
    »Wie?« Ich werfe ihr einen entgeisterten Blick zu.
    »Na, ich penn bei Philipp!«
    »Und Olli?«
    »Hat hoffentlich ’nen festen Schlaf.« Sie setzt ein verschmitztes Grinsen auf und ich habe ein bisschen Mitleid mit Olli.
    Philipp, Jule, Olli und ich hatten auf der Fahrt ausgemacht, ab und zu die Betten zu tauschen. Jule hätte bei Philipp pennen können und Olli bei mir. Aber jetzt, wo wir uns zu dritt ein Zimmer teilen müssen, wird daraus erst mal nichts.
    Mir fällt es auch ohne Publikum schon schwer genug, Zärtlichkeiten zuzulassen. Das liegt daran, dass ich meinen Körper meistens komisch finde. Und mich selten schön genug, als dass ich mich ohne Probleme fallen lassen kann bei dem Gedanken, dass einer so viel von mir sieht.
    »Das kann sich Markus doch an fünf Fingern abzählen, was hier abgeht, sobald er das Licht ausknipst.« Jule zieht ihr Oberteil aus und schält sich unter befreitem Seufzen aus ihrer engen Stoffhose. In Unterwäsche spaziert sie durchs Zimmer und hängt ihre Kleider in den Schrank.
    »Wenn die dich erwischen, schicken sie dich postwendend nach Hause«, gebe ich zu bedenken.
    »Wer sagt denn, dass ich mich erwischen lasse?« Jule wirft sich ein kurzes grün-weiß kariertes Kleidchen über und posiert vor unserem halb blinden Wandspiegel.
    Dieses Kleid könnte ich nie anziehen. Nicht bei 4 0 Grad im Schatten. Nicht mit der Narbe auf meinem Oberschenkel. Sie ist ungefähr so groß wie ein Frühstücksteller und über die Jahre mit mir mitgewachsen.
    Ich war acht und es waren meine ersten Spaghetti. Der Topf mit kochendem Wasser ist mir einfach aus den Händen geglitten bei dem Versuch, die Nudeln abzugießen. Es war die Hölle. Ich werde wohl nie wieder ein unbekümmertes Verhältnis zu Spaghetti haben, dank meines verunstalteten Beins. Vielleicht kann ich wegen dieser Narbe niemals Tänzerin werden. Manchmal wache ich nachts auf von diesem Gedanken.
    Marie hat immer gesagt, sie fände die Narbe nicht schlimm. Sie wäre nicht schön, aber bestimmt auch nicht hässlich, sondern einfach nur ein Teil von mir. Ich käme nie auf die Idee zu behaupten, die verformte Haut da an meinem Schenkel könnte jemals zu mir gehören.
    Wiebke lauscht unserer Unterhaltung und sagt die ganze Zeit keinen Ton. Sie sitzt auf ihrer Seite des Bettes und tippt Textnachrichten in ihr Handy.
    »Ganz schön teuer«, bemerkt Jule mit einem Seitenblick, denn auch ihr ist aufgefallen, dass unsere Mitbewohnerin sich seit unserer Ankunft konsequent ausschweigt.
    Wiebke zuckt die Achseln und tippt weiter.
    »Wem schreibst’n da«, fragt Jule und zupft an ihrem Kleid herum.
    »Meinem Freund.« Wiebke, du Plaudertasche.
    »Wieso ist er denn nicht mitgefahren?«, bohrt Jule ungeniert weiter.
    »Er muss arbeiten.« Wiebke sieht, dass Jule diese Antwort in keiner Weise zufriedenstellt. »In Frankreich«, fügt sie großzügig hinzu.
    »Frong-kra-iesch, da kuck einer an!«, quietscht Jule. »Was macht er denn da?«
    Wiebke scheint zu spüren, dass sie nicht ohne eine wahrheitsgemäße Aussage davonkommt. »Er arbeitet im Disneylan d … als Goofy.«
    Jule kriegt einen Lachanfall und Wiebke bestraft sie mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck.
    Ich möchte ja wirklich nicht gemein sein, aber die Vorstellung, dass dieses verstockte Mädchen mit der komplizierten Hochsteckfrisur beim Anblick eines überdimensional großen
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