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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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leuchten im Sonnenschein zwischen efeuumrankten Steinmauern. Wenn man sich die Touristen wegdenkt, könnte man meinen, dies sei ein verwunschener Ort – die Felsen, das Meer, die vielen bunten Blumen, die Festung, die auf den Klippen über der Stadt thront und Geschichten von Unwettern und Piraten erzählt. (Na ja, zumindest mir, der kleinen Meerjungfrau.)
    Auf einer Steinmauer liege ich im Schoß meines Seemanns mit Sombrero und schaue hinab aufs blaugrüne Wasser. In weiter Ferne sehe ich den Badestrand mit seinen winzigen bunten Schirmchen und seinem farbenfrohen Mosaik aus Handtüchern.
    »Schön hier«, lösen sich die Worte leicht von meinen Lippen. Der warme Wind weht sie wie Pusteblumenschirmchen hinaus aufs Wasser. Es antwortet mit einem tiefen, schweren Rauschen.
    »Schön hier mit dir«, trägt der warme Wind seine Stimme an mein Ohr.
    »Du?«
    »Du?«
    »Warum hast du sie verlassen?« Meine Stimme wackelt ein bisschen.
    Der Pirat (ohne Sombrero) liegt nun im Schoß der Meerjungfrau (ohne Fischschwanz). Er hat ihre Frage gleich begriffen, das sieht sie an seinem Blick, der sofort erwacht ist und sich nicht mehr über den monotonen Wellen ausruht.
    »Ich hab sie nicht mehr verstanden. Sie hat immer alles so kompliziert gemacht.«
    Die Antwort kommt so schnell, als hätte er sich die Frage zu dieser Antwort schon oft selbst gestellt.
    Ich spüre, wie Angst in mir aufsteigt. »Und ich mach’s dir einfach?«
    »Nei n … und ja.«
    Ich spüre, wie meine Angst sehr groß wird.
    »Es muss ja nicht immer alles kompliziert sein, damit es schön ist, oder?«
    »Mmh.«
    Meine Gedanken schwimmen. Werden fluguntauglich. Ich weiß nicht, ob ich bloß das Gegenteil von kompliziert sein will.
    »Ich hab’s immer gemerkt, wenn wir uns gestritten haben«, sagt Olli nachdenklich und beginnt, kleine Steinchen aus der Mauer zu klauben. »Bei Marie klang immer alles gleich so kras s … so absolut, egal um welche Kleinigkeit es ging. Sie hat es geschafft, aus Zucker in Kaffee ’ne Weltanschauung zu machen.«
    »Oh, die Kaffeetheorie kenn ich«, erinnere ich mich laut. Marie hatte eines Tages im Scherz die Theorie ins Leben gerufen, man könne daran, wie jemand seinen Kaffee trinkt, seine Lebenseinstellung erkennen. Ihrer Theorie nach gibt es die klassischen Schwarztrinker: das sind die Künstler und die Chaoten. Die Zuckerkandidaten sind die ohne Geschmack, Leidensbereitschaft und festen Willen. Die Milchkaffeefraktion ist die einzig Wahre: die Genießer und die Auskenner. Am untersten Ende der Sympathieskala dümpeln die Milchmitzuckertrinker. Das sind die Außerirdischen, »solche Leute« eben.
    »Sie hat aus irgendeinem unwichtigen Halbsatz eine Grundsatzdiskussion vom Zaun gebrochen.« Olli schüttelt gedankenverloren den Kopf. Seine Empörung ist echt. Die ersten losen Steinchen fliegen in die Tiefe. »Mal ohne Quatsch, manchmal hatte ich echt Schiss vor ihren Gedanken.«
    »Das Gefühl kenn ich.« Es beruhigt mich, dass ich mit einem Mal wieder weiß, wovon Olli redet, wenn er über Marie redet.
    Im Streit können ihre Worte wie Pfeile sein. Keines trifft dich zufällig, keines verlässt unangespitzt ihre Lippen. Ich kenne diese Diskussionen nur zu gut: Du sitzt sprachlos vor ihr, voller Wut, die Tränen schon unterwegs nach draußen. Und du kannst trotzdem nicht zurückschießen, nicht, weil du nichts zu entgegnen hättest, sondern weil dir die Worte nicht einfallen, die scharf genug wären, sie zu treffen, dort, wo sie getroffen werden will.
    Es war ein paar Tage, bevor Olli und ich uns zufällig beim Klettern trafen. Marie sprühte Funken vor Wut und stapfte wie eine Furie durch ihr Zimmer. »So ignorant muss man erst mal sein!«
    Der Anlass dafür, dass Marie an diesem Abend in meinem Beisein Amok lief, war natürlich mal wieder Olli gewesen. Einer seiner Kumpels feierte seinen achtzehnten Geburtstag. Olli war darum nicht mit Marie ins Becks Stage gegangen, wo irgend so eine Indie-Band ihre CD-Release-Party feierte. Ich schon, aber das spielte im Augenblick anscheinend überhaupt keine Rolle mehr. Das ganze Konzert spielte überhaupt keine Rolle mehr, nur dass Olli nicht dabei gewesen war.
    Ich hatte Maries Wut über Ollis Entscheidung von Anfang an ziemlich übertrieben gefunden. Was war denn dabei, auf die Geburtstagsparty eines Freundes gehen zu wollen? Olli war schließlich schon auf der Welt gewesen, bevor es Marie in seinem Leben gegeben hatte. Auch wenn sie das manchmal zu vergessen schien. Und genauso gab
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