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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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sagte mit sehr leiser Stimme: „Mein Sohn? Unmöglich! Ich hab’ keine Kinder.“
    „Doch, doch!“ rief Joachim. „Kann schon sein, daß Sie sich nicht mehr recht erinnern, weil Lutz als Baby ja ganz anders aussah und auch viel kleiner war. Aber er ist bestimmt Ihr Sohn, das können Sie mir schon glauben!“ Lutz fühlte sich ganz elend und genierte sich furchtbar, weil der Beamte an ihrem Tisch alles mithörte, aber er überwand sich endlich, sah Herrn Schnüpfing voll an und sagte: „Meine Mutter heißt Hildegard Ratjen. Sie hat eine Zeitlang in München als Servierdame in irgend so einem Nachtlokal gearbeitet, und da war sie mit Ihnen zusammen.“
    Herr Schnüpfing erschrak sichtbar und schluckte heftig. „Hildegard Ratjen ist deine Mutter?“ fragte er. „Hat sie dich hierhergeschickt?“
    „Nein, nein!“ rief Lutz hastig. „Sie weiß nichts davon! Ich wohne gar nicht mit ihr zusammen, ich lebe bei meiner Oma und sehe sie nur ganz selten.“
    „Wie kommst du darauf, daß ich dein Vater bin?“ fragte Herr Schnüpfing heiser.
    Lutz legte den Blumenstrauß, den er immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch und fummelte die Geburtstagskarte aus dem Portemonnaie. Er faltete sie auseinander und reichte sie Herrn Schnüpfing.
    „Hier“, sagte er dabei, „die haben Sie doch geschrieben, nicht?“
    Herr Schnüpfing nahm die Karte, warf einen flüchtigen Blick auf das Bild, eine aufgeblühte rote Rose, und drehte die Karte um. Lutz schaute ihm gebannt zu, als er nun den kaum noch lesbaren Text entzifferte, den er auswendig kannte, weil er ihn so oft gelesen hatte.
     
    „Liebe Hilde!
    Nimm diese Rose als Zeichen dafür, daß ich Dich immer noch liebe und gerne wieder mit Dir zusammen wäre. Komm doch zurück! Ich nehme zur Zeit an einem Umschulungskurs teil und werde bestimmt bald in einem Büro Arbeit bekommen. Dann könnten wir heiraten.
    Herzliche Glückwünsche zu Deinem Geburtstag!
    Ludwig
    (Immer noch der Deine!)“
     
    „Die Karte ist doch von Ihnen?“ stieß Lutz hervor.
    Herr Schnüpfing starrte lange auf die verwischten Schriftzüge und schien mit den Gedanken weit in der Vergangenheit zu sein.
    „Hilde Ratjen“, flüsterte er kaum hörbar, „Hilde Ratjen.“ Und aufblickend: „Sie war sehr hübsch, deine Mutter, aber sie hat mich oft furchtbar gequält. Ich weiß nicht, ob ich mit ihr glücklicher geworden wäre. Vielleicht wäre ich an ihrer Seite noch eher ins Gefängnis gekommen.“ Und nach einer längeren Pause des Schweigens: „Ich hab’s einfach nicht geschafft mit den Frauen, mit keiner. Alle haben sie mich gemein behandelt, alle ohne Ausnahme. Sie haben mit mir gemacht, was sie wollten. Ich hatte nie die Kraft und den Mut, ihnen zu widersprechen und mich durchzusetzen. Das ist mein Fehler, ich bin ein schwacher Mensch, ein viel zu schwacher Mensch.“
    Er strich sich über das Kinn.
    „Was meint ihr wohl, warum ich hier sitze? Weil die Frau, die ich schließlich heiratete, mit dem Geld, das ich verdiente, nicht auskam! Für den großen Wagen, den sie fahren, und die Luxuswohnung, die sie haben wollte, war es allerdings zuwenig. Soviel verdient ein Buchhalter nun mal nicht! Um mir ihre tägliche Meckerei nicht mehr anhören zu müssen und mich nicht länger als Schlappschwanz verhöhnen zu lassen, veruntreute ich, wie es so treffend heißt, Gelder meiner Firma. Und dafür büße ich jetzt.“
    „Das halte ich aber, gelinde gesagt, für ‘ne ziemlich große Gemeinheit!“ rief Joachim. „Die Frau reißt Sie ‘rein, und Sie müssen brummen!“
    Herr Schnüpfing lächelte bitter.
    „Ich halte es auch für eine ziemlich große Gemeinheit“, sagte er, „das kannst du mir glauben. Aber das hilft mir nicht, mein Leben ist verpfuscht. Wenn ich hier ‘rauskomme, weiß ich nicht, was ich anfangen soll. Wer stellt schon einen Buchhalter ein, der im Gefängnis war, kannst du mir das verraten?“
    Der Beamte blätterte geräuschvoll die Zeitung um. Lutz, einem plötzlichen Impuls folgend, gab Herrn Schnüpfing die Blumen und sagte: „Hier, die sind für Sie!“ Und dann fuhr er heftig fort: „Meine Mutter taugt nichts. Sie liebt mich nicht und treibt sich dauernd mit anderen Männern ‘rum. Freuen Sie sich, daß Sie sie nicht geheiratet haben!“ Herr Schnüpfing nahm die Blumen, drehte sie hin und her und legte sie sich auf den Schoß.
    „Vielen Dank“, sagte er, „vielen Dank! So schöne Blumen habe ich noch nie bekommen.“
    Da unternahm Joachim, dem die Ungewißheit schon
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