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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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Füßen, den Herr Tepel als Geschenk für Lutz’ Vater aus seinem Garten gepflückt hatte, mal auf den schmalen Rücken seines Freundes vor sich und mal in die Landschaft links und rechts. Auch Lutz fühlte sich wohl. Auf diese Art zu reisen war ihm weitaus angenehmer als im Klo eines Zuges, wo man jederzeit entdeckt werden konnte.
    Bis nach Straubing verlief die Fahrt ohne Zwischenfälle. Aber auf der B 5 schien es kritisch zu werden. Dort gab es bei Schönach einen Stau, weil die Straße wegen Ausbesserungsarbeiten nur einseitig zu befahren war, und darum hielt Joachim es für angebracht, sich die Regenplane über den Kopf zu ziehen. Herr Tepel hielt an der Ampel und wartete auf grünes Licht. Als er endlich weiterfahren durfte, sprang der Motor, den er während der Wartezeit abgestellt hatte, nicht an.
    „Verflixt“, rief er, „das ist wieder der dumme Magnetschalter! Der spielt auch immer dann verrückt, wenn man es am wenigsten brauchen kann! Lutz, kannst du mal absteigen und schieben?“ Und weil er fürchtete, daß Joachim, der ja alles mithörte, nach diesen Worten aus dem Anhänger steigen könnte, um mitzuhelfen, fügte er rasch hinzu: „Aber paß auf, daß das Ferkel nicht aus dem Kasten springt!“
    Lutz kletterte sofort von seinem hohen Sitz herunter und stemmte sich gegen das Motorrad. Er brachte es jedoch nicht in Gang.
    „Ich schaff’ es nicht“, stöhnte er, „es ist einfach zu schwer!“
    Weil das Motorrad allen nachfolgenden Fahrzeugen den Weg versperrte, hupten einige Fahrer ungeduldig. Da lief der junge Polizist, der die Ampel bediente, herzu, um zu helfen, damit der Verkehr wieder flott wurde. Als er eben die Rückwand des Anhängers anfaßte, richtete sich Joachim unter der Plane auf, um ebenfalls seine Hilfe anzubieten.
    „Oh, das Schweinderl!“ rief der Polizist und drückte es mit festem Griff auf den Boden des Anhängers. Da quiekte es mit so menschlicher Stimme, daß der Mann ihm beruhigend den Rücken tätschelte, bevor er mit einem kurzen Lauf das Motorrad in Gang brachte.
    Kaum lief es aus eigener Kraft, und gerade saß Lutz wieder auf dem Soziussitz, da steckte Joachim seinen Kopf unter der Plane hervor, winkte dem hilfsbereiten Polizisten zu, schmatzte laut und rief: „Quiek, quiek, nuff, nuff! Das Schweinderl dankt auch schön.“
    Der Polizist erschrak ein wenig, schüttelte dann aber nur den Kopf und wandte sich lächelnd um.
    Lutz fiel vor Lachen fast vom Sattel.
    Auf dem verbleibenden Teil der Fahrt benahm das Motorrad sich gutartig und nahm alle Kreuzungen und Abzweigungen, ohne ein einziges Mal stehenzubleiben. Joachim hatte die Plane über seine Schultern gelegt und beschaute die Landschaft. In Regensburg aber ging er noch mal auf Tauchstation.
    Herr Tepel fuhr bis vor die Strafanstalt.
    „Also dann viel Glück, Lutz!“ sagte er. „Geht nur los. Ich kaufe mir eine Zeitung und warte hier draußen. Länger als eine Stunde dürft ihr bestimmt nicht bleiben.“
    Er hatte recht vermutet. Jeder Häftling durfte nur einmal im Monat für eine halbe Stunde Besuch empfangen. Nur auswärtige Besucher, und das waren Lutz und Joachim ja, durften eine Stunde bleiben. Sie mußten ihren Ausweis vorzeigen und wurden erst dann eingelassen. Ein Beamter führte sie in den Besuchsraum, der keinen sehr freundlichen Eindruck machte.
    „Setzt euch da an den Tisch“, sagte er, „der Häftling wird geholt.“
    Wenige Minuten später erschien Herr Schnüpfing.
    Er war ein mittelgroßer, schmächtiger Mann mit glattrasiertem Kinn, bleichen Wangen und schneeweißem Haar. Die dunkelbraunen Augen, Augen, wie sie auch Lutz besaß, bildeten einen starken Kontrast dazu. Verständnislos musterte der Mann die beiden Besucher, schaute fragend auf den Beamten, der ihn hereingebracht hatte, und setzte sich schweigend zu den Jungen an den Tisch. Ihm gegenüber nahm der Wärter Platz und entfaltete eine Zeitung. Lutz hörte sein Herz schlagen, das Blut rauschte ihm in den Ohren. Er nahm den Blumenstrauß von einer Hand in die andere und wußte durchaus nicht, wie er es anfangen sollte, dem Mann zu sagen, daß er sein Sohn sei. Hilflos schielte er zu Joachim hinüber. Der fand sofort das erlösende Wort.
    „Mein Freund“, sagte er ohne Umschweife, „der Lutz hier, ist Ihr Sohn. Das wollte er Ihnen gerne mitteilen.“ Lutz wurde rot wie Klatschmohn, nickte nur heftig und blickte Herrn Schnüpfing ängstlich ins Gesicht. Der schaute ihn verblüfft an, schüttelte dann kaum merklich den Kopf und
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