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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Autoren: Jules Verne
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regelmäßig auf einander zu folgen.
    Ich schätze – aber vielleicht irre ich mich – daß diese abenteuerliche
    Fahrt des Nautilus vierzehn bis zwanzig Tage dauerte, und ich weiß nicht,
    wie lange sie gedauert haben würde ohne die Katastrophe, womit diese Reise
    endigte. Vom Kapitän Nemo war nicht mehr die Rede; auch nicht von
    seinem Lieutenant. Nicht ein Mann von den Bootsleuten ließ sich nur einen
    Augenblick sehen. Fast beständig fuhr der Nautilus unter’m Wasser, und wenn er zur Lufterneuerung auftauchte, öffneten oder schlossen sich die Lucken automatisch. Die Lage wurde nicht mehr eingetragen; ich wußte nicht, wo wir uns befanden.
    Auch der Canadier, dessen Geduld und Kraft erschöpft war, ließ sich nicht mehr sehen. Conseil konnte nicht ein Wort aus ihm herausbringen und fürchtete, er möge in einem Anfall von Wahnsinn oder von erschrecklichem Heimweh getrieben, Hand an sich legen. Er überwachte ihn daher jeden Augenblick mit Hingebung.
    Es ist begreiflich, daß unter diesen Umständen die Lage unhaltbar war.
    Eines Tages – wann, kann ich nicht angeben – war ich gegen Morgen eingeschlafen, – ein peinlicher und krankhafter Schlaf. Als ich aufwachte, sah ich Ned-Land über mich gebeugt und hörte ihn leise sagen:
    »Wir wollen entfliehen!«
    Ich richtete mich auf.
    »Wann wollen wir fliehen? fragte ich.
    – In nächster Nacht. Jede Ueberwachung scheint vom Nautilus verschwunden. Man meint, es herrsche Verstörung an Bord. Werden Sie bereit sein, mein Herr?
    – Ja. Wo befinden wir uns?
    – Im Angesicht von Land, das ich diesen Morgen mitten im Nebel zwanzig Meilen östlich wahrgenommen habe.
    – Was für Land?
    – Ich weiß nicht, aber es sei was es wolle, wir wollen dahin fliehen.
    – Ja! Ned. Ja, wir fliehen diese Nacht, sollte uns auch das Meer verschlingen!
    – Das Meer ist schlimm, der Wind stark, aber zwanzig Meilen in dem leichten Boot des Nautilus zu machen, ist für mich nichts Erschreckliches. Ich habe unbemerkt einige Lebensmittel und einige Flaschen Wasser hin schaffen können.
    – Ich schließe mich an.
    – Uebrigens, fügte der Canadier bei, wenn ich ertappt werde, wehr’ ich mich, lasse mich umbringen.
    – Dann werden wir mit einander sterben, Freund Ned.«
    Ich war zu Allem entschlossen. Der Canadier verließ mich. Ich begab mich auf die Plateform, wo ich mich gegen den Wellenschlag kaum halten konnte. Der Himmel war drohend, aber da im dichten Nebel Land in der Nähe war, so mußte man fliehen. Kein Tag und keine Stunde war zu verlieren.
    Ich kam in den Salon zurück, fürchtete und wünschte zugleich den Kapitän Nemo zu treffen, wollte und wollte nicht mehr ihn sehen. Was hätte ich ihm sagen können? Konnte ich ihm das unwillkürliche Grauen verhehlen, das er mir einflöße? Nein. Besser war, nicht mehr vor sein Angesicht zu kommen! Besser war, ihn vergessen! Und doch!
    Wie wurde mir dieser Tag lang, der letzte, den ich an Bord des Nautilus verleben sollte! Ich blieb allein. Ned-Land und Conseil vermieden mit mir zu reden, aus Furcht sich zu verrathen.
    Um sechs Uhr speiste ich, aber ich hatte keinen Hunger. Ich zwang mich wider Willen zu essen, um nicht an Kräften schwächer zu werden.
    Um halb sieben kam Ned-Land auf mein Zimmer und sagte:
    »Wir werden uns vor unserer Abfahrt nicht wieder sehen. Um zehn Uhr ist der Mond noch nicht aufgegangen, und die Dunkelheit wird uns zu Gute kommen. Kommen Sie zum Boot. Ich werde mit Conseil Sie dort erwarten.«
    Darauf entfernte sich der Canadier, ehe ich Zeit hatte, ihm zu antworten.
    Ich wünschte über die Richtung des Nautilus Auskunft zu haben, und begab mich in den Salon.
    Wir fuhren Nord-Nord-Ost unter erschrecklicher Geschwindigkeit bei fünfzig Meter Tiefe.
    Ich warf einen letzten Blick auf diese Wunder der Natur, auf die in diesem Museum gehäuften Schätze der Kunst, auf diese unvergleichliche Sammlung, die einst in der Tiefe des Meeres zugleich mit ihrem Gründer zu Grunde gehen sollte. Ich wünschte in meinem Geist einen letzten Eindruck festzuhalten. Eine Stunde lang blieb ich hier, in der hellen Beleuchtung die Schätze musternd, welche unter ihren Glaskästen glänzten. Darauf kehrte ich auf mein Zimmer zurück.
    Hier zog ich dauerhafte Meerkleidung an, nahm meine Notizen zusammen und steckte sie wie Kostbarkeiten zu mir. Mein Herz pochte gewaltig; seine Schläge ließen sich nicht hemmen. Gewiß, meine Unruhe, meine Aufregung würden mich dem Kapitän Nemo verrathen haben.
    Was that er in diesem
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