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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Autoren: Jules Verne
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wußte, was es für eine unterseeische Maschine war.
     

    Elender! Soll ich Dich … (S. 143.)
     
    Bald meldete mir der Canadier, das Schiff sei ein großes Kriegsschiff, mit Schnabel, ein gepanzerter Zweidecker. Aus seinen beiden Rauchfängen stieg ein dichter Rauch auf, seine Segel waren zusammengeschlagen, sein Mast ohne Flagge. Die weite Entfernung ließ noch nicht die Farben seiner Wimpel erkennen.

    Es näherte sich rasch. Wenn der Kapitän Nemo es herankommen ließ, bot sich uns eine Aussicht auf Rettung.
    »Mein Herr, sagte Ned-Land, fährt das Schiff mir eine Meile entfernt, so stürz’ ich mich in’s Meer, und fordere Sie auf, meinem Beispiele zu folgen.«
    Ich gab auf diesen Vorschlag keine Antwort und betrachtete fortwährend das Schiff, welches immer näher kam. Mochte es englisch, französisch, amerikanisch oder russisch sein, sicherlich fanden wir Aufnahme an Bord, wenn wir hingelangen konnten.
    »Mein Herr wird sich wohl erinnern, daß wir einige Uebung im Schwimmen haben. Er kann sich auf mich verlassen, daß ich ihn bis zu dem Schiff bugsiren werde, wenn es ihm gefällig ist, Freund Ned zu folgen.«
    Ich war im Begriff zu antworten, als vorne am Kriegsschiff eine weiße Dampfwolke sichtbar wurde. Nach einigen Secunden ward das Hintertheil des Nautilus von einem in’s Meer fallenden Körper bespritzt. Kurz darauf vernahm man einen Knall.
    »Wie? Sie schießen auf uns! rief ich aus.
    – Wackere Leute! murmelte der Canadier.
    – Sie nehmen uns also nicht für Schiffbrüchige auf einem Wrack!
    – Mit Erlaubniß, mein Herr …. – Gut, sagte Conseil und schüttelte das Wasser ab, womit eine abermalige Kugel ihn bespritzt hatte. – Mit Erlaubniß, mein Herr, sie haben den Narwal erkannt, und schießen auf den Narwal.
    – Aber sie müssen wohl sehen, rief ich, daß sie’s mit Menschen zu thun haben.
    – Vielleicht eben deshalb!« erwiderte Ned-Land und sah mich an.
    Nun ging mir im Kopf ein Licht auf. Ohne Zweifel wußte man jetzt, was man von dem vermeintlichen Seeungeheuer zu halten hatte. Ohne Zweifel hatte der Commandant des Abraham Lincoln bei seinem Zusammentreffen mit dem Nautilus, als der Canadier seine Harpune auf denselben schleuderte, erkannt, daß der Narwal ein unterseeisches Fahrzeug sei, und zwar gefährlicher, als ein übernatürliches Seethier.
    Ja, so mußte es sein, und ohne Zweifel verfolgte man jetzt auf allen Meeren das fürchterliche Zerstörungswerkzeug.
    Ein erschreckliches gewiß, wenn, wie man annehmen konnte, der Kapitän Nemo den Nautilus zu einer Racheübung gebrauchte!
    In jener Nacht, als er mitten im Indischen Ocean uns einsperrte, hatte er wohl einen Kampf mit einem Schiff zu bestehen. Jener auf dem Korallenkirchhof bestattete Mann war gewiß bei einem Zusammenstoß des Nautilus getroffen worden. Ja, sag’ ich abermals, so mußte es sein. So enthüllte sich ein Theil der geheimnißvollen Existenz des Kapitän Nemo. Und wenn er auch nicht als derselbe wieder erkannt wurde, so machten doch die gegen ihn verbundenen Nationen jetzt nicht auf ein chimärisches Wesen Jagd, sondern auf einen Mann, der ihnen unversöhnlichen Haß geschworen hatte.
    Diese ganze fürchterliche Vergangenheit stand mir jetzt vor Augen. Anstatt auf dem herannahenden Schiffe Freunde zu treffen, konnten wir nur auf erbarmungslose Feinde stoßen.
    Inzwischen fielen häufiger Kugeln in unserer Nähe nieder. Manche, welche den Meeresspiegel trafen, sprangen abprallend weiter, um in weiter Ferne sich zu verlieren. Aber den Nautilus traf keine.
    Das Panzerschiff war damals nur noch drei Meilen entfernt. Trotz der heftigen Kanonade ließ sich der Kapitän nicht auf der Plateform sehen. Und doch hätte eine einzige seiner Spitzkugeln, wenn sie regelrecht den Rumpf des Nautilus traf, ihm verderblich sein müssen.
    Der Canadier sprach da zu mir:
    »Mein Herr, wir müssen Alles aufbieten, um uns aus dieser schlimmen Lage zu ziehen. Wir wollen Signale geben! Tausend Teufel! Vielleicht wird man einsehen, daß wir brave Leute sind!«
    Ned-Land nahm sein Taschentuch, um es in der Luft zu schwingen. Aber kaum hatte er’s entfaltet, als er trotz seiner furchtbaren Stärke von einer eisernen Hand zu Boden geworfen wurde.
    »Elender, rief der Kapitän, soll ich Dich an den Schnabel des Nautilus nageln, ehe ich mit demselben gegen dieses Schiff anrenne?«
    So fürchterlich dieser Zuruf war, noch fürchterlicher war das Aussehen des Kapitän Nemo. Sein Angesicht erbleichte bei den Kämpfen seines Herzens,
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