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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Autoren: Jules Verne
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dessen Pulsschläge einen Augenblick stocken mußten. Seine Augäpfel zogen sich fürchterlich zusammen. Seine Stimme brüllte. Mit vorgebeugtem Körper schüttelte er den Canadier bei den Schultern.
    Darauf ließ er ihn, wendete sich gegen das Kriegsschiff, dessen Kugeln um ihn regneten, und rief:
    »Ah! Du weißt, wer ich bin, Du Schiff einer verfluchten Nation! Ich brauchte Deine Farben nicht zu sehen, um Dich zu erkennen! Schau! Hier zeig’ ich Dir die meinige!«
    Und der Kapitän Nemo entfaltete vorn auf seiner Plateform eine schwarze Flagge, gleich derjenigen, welche er am Südpol aufgepflanzt hatte.
    In dem Moment schlug eine Kugel schief auf den Rumpf des Nautilus, ohne einzudringen, prallte neben dem Kapitän ab und sprang weiter in’s Meer.
    Der Kapitän Nemo zuckte die Achseln. Darauf sprach er zu mir im barschen Ton:
    »Gehen Sie hinab sammt Ihren Genossen!
    – Mein Herr, rief ich, wollen Sie denn dieses Schiff angreifen?
    – Mein Herr, ich werd’ es in den Grund bohren.
    – Thun Sie das nicht!
    – Ja, ich werd’ es thun, erwiderte kalt der Kapitän Nemo. Lassen Sie sich nicht einfallen, mein Richter zu sein, mein Herr. Der Zufall hat Sie sehen lassen, was Sie nicht sehen durften. Der Angriff ist geschehen. Die Erwiderung wird erschrecklich sein. Gehen Sie.
    – Was ist’s für ein Schiff?
    – Sie wissen’s nicht? Nun denn, um so besser! Seine Nationalität wenigstens soll Ihnen ein Geheimniß bleiben. Gehen Sie hinab!«
    Ich konnte nicht anders, als gehorchen, sammt Conseil und dem Canadier. Fünfzehn Mann von den Leuten des Nautilus umgaben den Kapitän und blickten mit unversöhnlichem Haß auf das gegen sie anfahrende Schiff. Man fühlte, wie alle diese Gemüther von gleichem Rachedurst beseelt waren.
    Ich begab mich in dem Augenblick hinab, als abermals ein Geschoß auf den Nautilus anschlug, und hörte den Kapitän ausrufen:
    »Schieße nur, thörichtes Schiff! Vergeude unnütz Deine Kugeln! Du sollst dem Schnabel des Nautilus nicht entgehen. Aber nicht an dieser Stelle sollst Du sinken. Ich will nicht, daß Deine Trümmer sich mit denen des Vengeur vermischen!«
    Ich ging wieder auf mein Zimmer. Der Kapitän war mit seinem Lieutenant auf der Plateform geblieben. Die Schraube ward in Bewegung gesetzt. Der Nautilus entfernte sich rasch aus der Schußweite des Schiffes. Aber die Verfolgung dauerte fort, indeß der Kapitän Nemo sich damit begnügte, seine Distanz zu wahren.
    Gegen vier Uhr Nachmittags konnte ich die Ungeduld und Unruhe, welche mich peinigten, nicht aushalten, und begab mich zur Mittelstiege. Die Lucke war offen; ich wagte mich auf die Plateform. Der Kapitän ging mit raschen Schritten noch immer auf und ab. Ich sah nach dem Schiff, welches fünf bis sechs Meilen unter’m Wind ihm Stand hielt. Er kreiste um dasselbe wie ein Stück Rothwild, zog es östlich und ließ sich von ihm verfolgen. Doch griff er’s nicht an; schwankte er vielleicht noch?
    Ich wollte noch einmal ein Wort einlegen. Aber ich hatte den Kapitän kaum angeredet, als er mir Schweigen anbefahl:
    »Ich bin im Recht, ich übe Gerechtigkeit! sprach er zu mir. Ich bin unterdrückt, und hier ist der Unterdrücker! Durch ihn hab’ ich Alles verloren, was ich geliebt und verehrt habe; Vaterland, Weib, Kinder, Vater, Mutter, das Alles sah ich zu Grunde gehen! Dort ist Alles, was ich hasse! Schweigen Sie!«
    Ich warf einen letzten Blick auf das Kriegsschiff, welches seine Dampfkraft verstärkte. Darauf suchte ich Ned und Conseil auf.
    »Wir wollen entfliehen! rief ich aus.
    – Gut, sagte Ned. Was ist’s für ein Schiff?
    – Ich weiß nicht. Aber was es auch für eins sein mag, vor Abend wird es in Grund gebohrt sein. Jedenfalls besser mit ihm untergehen, als an einer Racheübung Theil zu haben, deren Gerechtigkeit man nicht ermessen kann.
    – Der Meinung bin ich auch, erwiderte Ned-Land kalt. Warten wir die Nacht ab.«
    Die Nacht kam heran. Tiefe Stille herrschte an Bord. Der Compaß zeigte, daß der Nautilus seine Richtung nicht geändert hatte. Ich hörte die Schraube mit reißender Regelmäßigkeit die Wogen schlagen. Er hielt sich an der Oberfläche des Wassers und in leichtem Schwanken neigte er bald auf die eine, bald auf die andere Seite.
    Ich war mit meinen Gefährten entschlossen, in dem Augenblick zu entfliehen, wo das Schiff nahe genug wäre, daß es uns hören oder sehen konnte, denn es war heller Mondschein, einige Tage vor Vollmond. Wären wir einmal an Bord dieses Schiffes, so wollten wir, wenn
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