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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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gebrochenen Rippe nach innen zu biegen. Es sah fast so aus, als hätte jemand mit aller Kraft gegen genau diesen Knochen gedrückt. Dabei hat sich ein kleiner Knochensplitter in seine Lunge gespießt. Und als wäre das noch nicht ausreichend, kam es durch die Fraktur zu einer Herzkontusion. Wir hätten ihn dieses Mal tatsächlich fast verloren. Und überhaupt, was hatte er auf dieser Etage zu suchen?“
    Erneut schossen Tränen aus den geröteten Augen der Schwester. „Es ist alles meine Schuld. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so bald aufstehen würde. Ich habe einfach nicht daran gedacht, obwohl mir eigentlich hätte klar sein müssen, dass er keine Ruhe geben würde.“
    Sie spürte den vorwurfsvollen Blick des Professors auf sich gerichtet und sank noch weiter in sich zusammen. „ Er hat nach dem Mädchen gesehen, das bei dem Unfall verletzt worden ist.“
    „ Er hat … Aber warum? Hätte das nicht warten können? Sie hätten ihn …“
    Er winkte ab. Niemand hielt Angel gegen seinen Willen zurück, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Das war schon immer so gewesen. Und es kam selbst heute noch viel zu oft vor.
    „Milzruptur und Rippenserienfraktur und unser Held findet es amüsant, bereits zwei Tage nach dem Unfall auf Wanderschaft zu gehen!“, spottete er in bitterem Ton. „Welch großartige Idee! Er hätte es, verdammt noch mal, wissen müssen, dass das nicht gut gehen kann.“ Seine Faust donnerte auf den Schreibtisch. „Und so einer nennt sich Arzt! Das hätte einem kleinen, dummen Jungen zur Ehre gereicht. Sich derart fahrlässig, unüberlegt und wissentlich in Gefahr zu bringen. Ein sturer Ochse!“
    „ Und ein verliebter obendrein“, ergänzte Erika leise.
    Die buschigen Augenbrauen des alten Professors schossen in die Höhe. „Verliebt? Angel? Das wäre etwas Neues.“ Er rühmte sich zu Recht eines phänomenalen Gedächtnisses, konnte sich allerdings beim besten Willen nicht erinnern, dass Angel jemals derart unvernünftig gehandelt hatte. Wegen eines Mädchens! Dieser Narr!
    „Etwas wahrhaft Neues“, sinnierte er. „Zumindest wäre das eine Erklärung für das Aussetzen seines Verstandes. Und Sie sind sich sicher? Ich meine, weil … Bisher hatte ich angenommen … Es hätte durchaus sein können, dass die Erfahrungen in seiner Vergangenheit … dass er …“ Vogel beendete keinen seiner Sätze und fuhr sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Augen. Er wusste, dass es Dinge gab, für die man nie die richtigen Worte finden würde, aber auch, dass Erika ihn genau verstanden hatte.
    Nach einem Schluck von seinem Tee schüttelte er den Kopf, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. „Na, so was! Unser Junge hat sich verliebt. Wer ist dieses Mädchen? Kennen Sie es?“
    „ Nein. Genauso wenig wie Angel.“
    „Aber Sie sagten doch eben … “ Er stutzte. „Bin ich schon zu alt, um das zu verstehen?“
    „ Dann sind Sie nicht der Einzige, dem es so ergeht. Angels Worten nach zu urteilen, kann er es sich nicht einmal selber erklären. Vor der Visite saß er an ihrem Bett und redete von seinen Gefühlen für dieses Mädchen und seinen Ängsten. Er wollte partout bei ihr bleiben, bis sie aufwacht. Und auch danach noch.“
    „ Auch danach“, wiederholte der Professor gedehnt, als müsste er sich die Bedeutung der Worte auf der Zunge zergehen lassen. „Angel, der sich stets gelassen und beherrscht gibt und durch nichts zu erschüttern ist, redet von Gefühlen? Er hat noch nie … Er hat den Verstand verloren!“
    Mit einer Behändigkeit, die man ihm angesichts seines Alters, er mochte wie Erika die sechzig bereits überschritten haben, kaum mehr zutraute, war der Chefarzt von seinem Sessel aufgesprungen.
    „ Selbstverständlich ist Angel alt genug, um zu wissen, was er tut. Gefühle hin oder her, wenn er glaubt, er sei verliebt, freut es mich natürlich. Doch noch so eine Aktion überlebt er nicht, darauf können wir Gift nehmen. Ich kann nur hoffen, dass ihm das ebenfalls bewusst ist. Wir werden ein ernstes Wort mit ihm reden müssen.“
    Sein Lachen klang nervös und verriet, wie sehr er um das Leben seines Kollegen bangte. Unruhig wanderte er auf dem Teppich vor seinem Schreibtisch auf und ab, die Stirn in tiefe Falten gelegt, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    „Ich habe ihn absichtlich auf Ihre Station gelegt, obwohl er dort eigentlich nicht hingehört, damit Sie ein Auge auf ihn haben. Wie konnte ich alter Trottel bloß glauben, Sie wären die Einzige, die
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