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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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„Bitte, Karo. Ich möchte dich … einmal nur … ganz kurz halten.“
    Sie setzte sich auf den Besucherstuhl, s eine kühlen Finger tasteten behutsam über ihr Gesicht gerade so, wie er es bei seinem Sohn wenige Tage zuvor getan hatte.
    „Wie konnte ich d as vergessen? All diese Schönheit. Ich wusste nicht mehr, welche Jahreszeit war, wie Blumen duften oder die Sonne wärmen kann. Mir war so kalt ohne dich, Karo. Ich habe bloß noch gefroren ohne deine Nähe. Und jetzt spüre ich, wie mein Herz aus dem Winterschlaf erwacht und unter dem Eis zu schlagen anfängt.“
    Er drückte seine Lippen auf ihre Hand und seufzte. „Ich lebe noch.“
    Wieder öffnete sie den Mund und erkannte in der gleichen Sekunde, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Wie geht es dir? zu fragen, war unmöglich. Keine Frage, dass er höllische Schmerzen litt.
    Während sie darüber nachdachte, sprach er weiter: „Karo? Bist du in Ordnung, Liebes?“
    „Ob … ob ich in Ordnung bin? Mein Gott, Angel!“ Tränen stiegen ihr in die Augen und sie schniefte. Es war tröstlich, seinen Arm um ihre Schultern zu spüren. Schweigend saßen sie so und stärkten und beruhigten einander durch ihr bloßes Beisammensein.
    „Ich habe geglaubt … ich war überzeugt, dich nie wiederzusehen. Jetzt kommt alles in Ordnung. Ich bin froh, dass du da bist.“
    Wären da nicht seine leichten Berührungen auf ihrer Haut gewesen und das vertraute Prickeln, das sie bei ihr auslösten, hätte Karo alles für einen Traum gehalten. Sie konnte nicht verstehen, was hier vor sich ging. Wie war es möglich, dass Angel wieder sehen konnte?
    „Karo, warum sagst du nichts? Bist du okay?“, erkundigte er sich leise .
    Als wäre es ganz selbstverständlich, dass er sich als Patient selbst versorgte, entfernte er das Pflaster, das den Infusionsschlauch am Arm fixierte, und zog die Kanüle heraus. Mit zusammengebissenen Zähnen sah er auf seine völlig zerstochene Armbeuge und die Blutergüsse.
    „Was tust du da? Angel, willst du nicht besser erst den Professor fragen?“, wandte Karo erschrocken ein.
    „ Nicht!“ Mit einer resoluten Handbewegung wischte er ihren Einwand beiseite. „Ich brauche von niemandem eine Erlaubnis. Dafür ist keine Zeit. Wirst du mir helfen, Karo? Ich muss aufstehen, aber ohne Rollstuhl …“
    „Ich habe den Professor draußen auf dem Gang gesehen und kann ihn schnell holen.“
    „Wenn du mir einen Rollstuhl holst, schaffen wir zwei das alleine. Erinnerst du dich, wie du mich gerettet hast – ohne Ärzte? Und nicht bloß einmal.“
    „Professor Katner wird deine Augen untersuchen wollen. Ich sage einer Schwester Bescheid, dass sie ihn …“
    Sie konnte ihr Entsetzen nicht verbergen, als sich Angel mühsam in seinem Bett aufzurichten versuchte. Hastig wendete sie den Kopf und schluckte voll Verzweiflung an ihrer Fassungslosigkeit.
    A ngel allerdings hatte Karos Blick aufgefangen. „Die können alle warten. Ich … ich brauche dich. Alleine geht es nicht mehr“, murmelte er und seine Worte klangen, als wollte er sich für den erbärmlichen Anblick entschuldigen, den er ihr bot.
    Verbitter t blickte er auf seine zitternden Hände und kraftlosen Arme und Beine. Breite Narben an den Handgelenken erinnerten ihn an die Fesseln, die über Monate seine Haut bis auf das rohe Fleisch aufgescheuert hatten. Obwohl ihm die Orthopäden und Chirurgen während mehrerer Operationen einige Knochen ein zweites Mal gebrochen hatten, waren drei Finger der linken Hand steif geblieben, und auch der Unterarmknochen war nicht mehr gerade zusammengewachsen.
    „ Er hat sich gleich mehrfach abgesichert, dass ich nie wieder das Leben eines Menschen führen kann. Ich habe mir nicht vorgestellt, so furchtbar auszusehen.“
    „ Nein, Angel …“ Die Worte kamen ihr über die Lippen, bevor sie sich die Zunge hätte abbeißen können, und so fuhr sie leise fort: „Du hast Recht. Ich hatte dich anders in meiner Erinnerung.“
    „ Es ist nicht mehr zu ändern. Du bist bei mir und das allein zählt. Das und nichts anderes.“ Angel nickte ihr aufmunternd zu. „Wollen wir? Zuerst zum Friseur. Nicolas hat dir bestimmt erzählt, dass ihm meine langen Haare nicht sonderlich gefallen. Ich kann es ihm nicht verübeln. Das war … Ich habe mich furchtbar geschämt vor diesem kleinen, ehrlichen Mann. Er wird Augen machen, wenn ich plötzlich wieder einem Menschen ähnlich bin.“
    „Nic … Mein Nicolas? Was willst du … Er war bei dir? Wann?“
    Angel lachte
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