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Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)

Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)

Titel: Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)
Autoren: Franziska Steinhauer , Wolfgang Spyra
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brauchte man keine mehr – für Russisch. Eine Verbeamtung war nicht vorgesehen und so fiel er
eben durchs Raster, reihte sich unwillig in die Schlange der Antragsteller ein,
legte seine finanziellen Verhältnisse und seine persönlichen Lebensumstände offen.
Dafür bekam er seit einigen Monaten einen kümmerlichen Lebensunterhalt.
    Der Wagen – verkauft. Der Computer ebenfalls.
Das Einzige, was er behalten hatte, war sein Laptop. Irgendwie musste er schließlich
versuchen am Ball zu bleiben, selbst als ›Harzer‹ hatte man einen Anspruch auf Kommunikation
mit der Außenwelt!
    Arne Lautenschläger
war sauer. So sehr, dass er die Tapete hätte von den Wänden kratzen können.
    »Ihr Verhalten
ist nicht angemessen«, hatte das blonde Gift geflötet. »Sie sind wirtschaftlich
zurzeit vollkommen abhängig vom Staat und nun erlauben Sie sich auch noch Sonderkosten
geltend zu machen! Für eine neue Festplatte! Wenn da jeder käme!«
    »Kommt aber
nicht jeder.«
    »Was ich
Ihnen mehr zuerkenne, muss ich andernorts entweder kürzen oder eintreiben. Ja, glauben
Sie wirklich, der durchschnittliche Arbeitnehmer da draußen, der sich jeden Tag
für sein Gehalt abrackert, hat Lust, Ihnen eine neue Festplatte für Ihr Laptop zu
schenken?«
    Lautenschläger
biss sich auf die Zunge. Die Antwort, die er gern gegeben hätte, wäre kontraproduktiv.
Er wusste, er würde später Magenschmerzen deswegen bekommen – aber die Festplatte war wichtiger.
»Nö. Aber Vater Staat muss doch einsehen, dass ich einen funktionsfähigen Computer
brauche. Heutzutage geht es nicht mehr ohne!«
    »Dann würde
ich meinen, Sie sollten Vater Staat Ihre Bereitschaft beweisen, selbst etwas zu
tun«, gab die Blonde zurück und zog ihre viel zu rot geschminkten Lippen boshaft
breit. »Ich sehe Sie in den kommenden Woche in unserer Fortbildungsveranstaltung
›Wie bewerbe ich mich richtig?‹. Sollten Sie nicht erscheinen … Sie wissen
schon. Wir kürzen dann Ihre Leistungen. Die Einladung geht Ihnen per Post zu. Auf
Wiedersehen, Herr Lautenschläger!«
     
    Auf dem Weg durch die Gänge zum
Fahrstuhl fluchte er vor sich hin. Mal lauter, mal leiser. Aber doch immer so, dass
alle anderen hören konnten, wie man hier mit ihm umzuspringen wagte. Unfassbare
Unverschämtheit!
    »Dann kürzen
wir Ihre Leistungen!«, äffte er die blöde Schreibtischkuh nach. »Dann beweisen Sie
mal Ihre Arbeitsbereitschaft!« Er hatte nicht übel Lust, irgendeinen dieser stumpfsinnig
vor sich hinstarrenden Typen zu erwürgen, an denen er vorbeikam – oder noch besser: Er erträumte
sich, eine Bürotür aufzureißen, den Anzugträger hinter dem Monitor an der Krawatte
zu packen, das Fenster zu öffnen und ihn einfach auf die Straße hinunterzustoßen.
»Grüße von Vater Staat!«, hörte er sich rufen. Oder er würde den Kerl so lange würgen,
bis seine Hautfarbe gar nicht mehr zur Krawatte passte, die Augen aus den Höhlen
traten, die Zunge …
    »Auf Wiedersehen,
Herr Lautenschläger!«, rief ihm der junge Mann am Infodesk freundlich nach. Aber
der ahnte ja auch nichts von Arnes Gewaltfantasien.
    In sechs
Wochen war Weihnachten. Seine Kinder wussten genau, was sie am liebsten unter dem
Weihnachtsbaum finden wollten. Socken und ein warmer Schal waren nett, standen allerdings
nicht auf der Wunschliste. Es konnte doch nicht sein, dass er so viele Jahre brav
geschuftet hatte und sich nun so gar nichts mehr leisten konnte! Die Gesellschaft
behandelte ihn unfair!
    Den Kopf
an die Scheibe der Straßenbahn gelehnt, schmiedete er Pläne, verwarf sie, überlegte
neu. Doch wie er es auch drehte und wendete – legal war nicht zu Reichtum zu kommen.
    Miriam hatte
vor ein paar Tagen das weißgoldene Collier in der Auslage des Juweliers angehimmelt.
Natürlich hatte sie kein Wort darüber verloren – nur ihr Blick … Es war aber wirklich schön anzusehen. Stilisierte Blüten und Blätter,
einige funkelnde Diamanten. Es war gar keine Frage, dass es ihr Dekolleté wunderbar
zur Geltung bringen würde. Seine Miriam war nämlich eine Frau von Format. Nicht
so ein knöcherner Kleiderständer ohne Busen und Arsch. Nein, wohlgerundet und weich.
    Er stellte
sich das Leuchten in ihren Augen vor, wenn sie an Heiligabend das kleine, leichte
Päckchen öffnete und dann vor Freude jauchzte, ihm um den Hals fiel, ihn küsste,
ihn …
    Er stieg
aus, machte sich mit schweren Schritten auf den Weg. »Reiß dich zusammen, Arne!«,
zischte er ins Schneegrau des Himmels. »Du kannst solche Geschenke nicht
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